Montag, 1. Februar 2016

Bullshitfreie Kochbuchrezension: "Meine Rezepte für eine bessere Welt" - Silverstone (Vol. 2)

Datum der Erstpublikation: 20. August 2014

Generelle Informationen
Meine Rezepte für eine bessere Welt - Alicia Silverstone
Autorin: Alicia Silverstone
Erschienen: Original 2010 unter dem Namen "The Kind Diet", deutsche Ausgabe 2011.
Preis: ca. 13 Euro Verlag: Arkana
In meinem Besitz befand sich das Buch von 2012 bis 2014. Ich habe es mittlerweile verkauft.

Grafik, Design und generelles Aussehen

Das Buch ist ein Harcdover mit Papierumschlag. Es ist deutlich grösser als Format A4 und relativ dick, ähnlich wie das Veganomicon. Trotz seiner etwas unhandlichen Grösse hält es gut auf dem Tisch, wenn man es umklappt. Das ist ein Pluspunkt, es gibt nichts mühsameres als Bücher, die man beschweren muss, um sie auf der Seitenzahl zu halten. Trotz des grossen Formats ist das Buch nicht schwer, es ist ziemlich handlich vom Gewicht her. Da gibt es Bücher, die kompakter, dünner sind, aber gleich schwer oder sogar schwerer.
Vom Design her ist das Buch relativ unaufgeregt gehalten. Die Schrift ist gut lesbar, die Titel sind mit roter Farbe erkennbar. Die Zutaten unterscheiden sich von ihrer Schrift her von den Rezeptanweisungen. Auch eventuelle Hinweise zur Zubereitungsart sind deutlich gekennzeichnet durch grüne Überschrift und eingezogenem Absatz. Leider ist die Schrift bei den Anweisungen manchmal deutlich zu klein geraten, obwohl teilweise noch Platz auf der Seite frei gewesen wäre. Hier hätte man sich gescheitere Setzung gewünscht.

Nicht zu jedem Rezept ist eine Fotografie vorhanden - auch hier merkt man, dass das Buch ein amerikanisches Rezeptbuch ist. Etwaige Bilder befinden sich aber direkt bei den Rezepten, es gibt also keinen gesonderten Foto-Teil im Buch wie zb. beim Veganomicon.

Inhalt
Das Buch als reines Kochbuch zu bezeichnen, wäre eine falsche Kategorisierung. Ähnlich wie die deutschsprachigen Vegan for X-Bücher von Attila Hildmann sieht Silverstone ihr Buch eher als Anleitung für eine vegane Ernährungsweise. Das Buch heisst deswegen auf Englisch auch "The Kind Diet", wobei Diet hier nicht im Sinne von "Abnehm-Diät" sondern im Sinne von Ernährungsweise oder eben Ernährungsstil zu übersetzen wäre. So ist es nicht verwunderlich, wenn mehr als die Hälfte des umfassenden Buches keine Rezepte beinhalten, sondern Informationen zur veganen Ernährung, zuur speziellen Form veganer Ernährung, wie sie Silverstone praktiziert. Ebenso finden sich auch Tipps zum veganen Abnehmen, vegane Warenkunde und Produkte, Ernährungstipps für unterwegs und Ansichten zum Sport. Das erste Rezept findet sich mit der Radicchiopizza mit Trüffelöl erst auf S. 184 des Buches.

Zu den gegebenen Informationen lässt sich folgendes kritisch sagen: Die generellen Informationen zum Veganismus beziehungsweise den gesundheitlichen Nachteilen omnivorer Ernährung sind - das muss man ihr lassen - gut geschrieben. Sie holt sich für ein Vorwort auch Dr. Neil Barnard an Bord. Viele Fakten, die sie nannt, kann man als stimmig beurteilen.
Dann gibt es aber Fakten, die vor Bullshit nur so strotzen und bei denen ich wie so oft bei veganen Kochbüchern seufzen muss. Silverstone versucht, ihre Ausführungen mit vielen Quellenverweisen zu untermauern. An einigen Stellen macht sie das aber nicht - und genau dort gibt es halt dann die Probleme. Beispielsweise wird behauptet (S. 59), dass der Verzehr von Milch dazu führe, dass der Körper mehr Kalzium verliere, als die Milch biete. Für diese Behauptung wird keine Quelle genannt. Nicht zufällig, nehme ich an. Ich habe bis heute noch keine konkrete Quelle gesehen, die diese Behauptung untermauert.
Auch tappt Silverstone in diverse Fallen, wie beispielsweise die undifferenzierte Sicht auf GMO-Produkte, Durcheinander bei der Abhandlung zu Sojabohnen (auch wenn sie nicht ganz vom Verzehr warnt, sagt sie doch, man solle den Konsum längerfristig vermeiden und höchtsens als "Leckerbissen" betrachten).
Besonders kritisch finde ich die Einschätzung, man müsse Vitamin B12 nicht supplementieren, sondern könne eigentlich genügend durch das Nichtwaschen von Gemüse aus dem Garten beziehen. Hier steht Silverstone total neben den Schuhen: Ein Durchschnittsamerikaner hat weder einen eigenen Garten noch enthält das Gemüse aus heimischen Böden genügend Vitamin B12, wenn's im Supermarkt ankommt. Gemäss Silverstone sei der Vitamin B12-Mangeln bei Veganern dementsprechend auch nicht auf den Vitamingehalt im Gemüse zurückzuführen, sondern auf "übertriebene Desinfektionspraktiken (S. 105). Das ist meines Erachtens nach total fahrlässig.
(Hier gibts ausführliche Infos, wie und warum B12-Zuführung wichtig ist.)

Nach generellen Einführungen führt Silverstone auch in ihre spezielle Ernährungsweise ein. Obwohl das Kind hier selten beim Namen genannt wird, praktiziert Silverstone mit ihrer "Superhero"-Ernährung eine Makrobiotische Ernährungsweise, die zurecht in der Kritik steht. Im Rezepteteil finden sich sowohl "normale" als auch "Superhero"-Rezepte. Hier habe ich persönlich Mühe mit der Einschätzung von gewissen Nahrungsmitteln zu "guten" und "schlechten" Nahrungsmitteln. Beim Zucker kann ichs noch knapp verstehen, aber warum Nachtschattengewächse (Tomaten, Kartoffeln) in dieser Superhero-Ernährungsform von Silverstone als nicht gut gelten, und höchstens einmal die Woche oder einmal im Monat verzehrt werden sollen, ist nur mit den kruden Theorien der Makrobiotik zu erklären - und für mich somit nicht haltbar.
Der Rückgriff auf den Terminus "magische" Lebensmittel stufe ich als ebenso kritisch ein wie der Hinweis, dass man nur diejenigen Obstsorten geniessen sollte, die aus der eigenen Klimazone stammen, und das auch höchstens als "gelegentlicher Leckerbissen" (S. 131) Gemäss Silverstone kühlt zb. tropisches Obst den Körper ab und dies sei nicht gesund für einen Durchschnittsbürger in westlichen Industrieländern.
Ganz fahrlässig finde ich den Hinweis auf S. 139. Dort wird wortwörtlich empfohlen, dass man bei einer schweren Erkrankung bei sich oder bei einem Liebsten, "Bücher über Makrobiotik" lesen "und einen makrobiotischen Berater" aufsuchen solle (S. 139). Dies natürlich als "Ergänzung" zu konventionellen Methoden.

Als Fazit kann ich sagen, dass sich bei Silverstone leider eine Basis aus sehr fundiertem Wissen, durchsetzt mit abstrusen, nicht belegten, teilweise esoterisch anmutenden "Fakten" und Falschaussagen. Die Vorstellung von einzelnen "Superheroes" und die ständigen Belegungen der Eigenerfahrung zu gewissen Dingen (Asthma zb.) bringen leider auch viel anekdotische Evidenz mit in diesen Faktenteil des Buches. Das verkauft sich natürlich gut, weil es sich gut liest, ist wissenschaftlich aber nicht haltbar. Gewisse Hinweise sind gar als gefährlich einzustufen, wie oben geschildert.
Aus der Perspektive einer kritischen Leserin muss ich sagen, dass ein Grossteil dieser ersten 180 Seiten für mich durchfällt. Die ersten Teile bezüglich Tierhaltung,ethische Aspekte und Nachteile von Milch- und Fleischprodukten hätten für mich gereicht. Der Rest ist stark esoterisch angehaucht, unwissenschaftlich und beruht auf anekdotischer oder unsauberer ausgeführter Evidenz. Nicht empfehlenswert!

Kommen wir nach dieser geballten Ladung Kritik zum eigentlichen Rezeptteil. Die 120 Rezepte sind grob in zwei Teile geteilt. Einen "normalen" Teil und ein Teil "Superhero"-Rezepte (Makrobiotik). Der erste Teil besteht aus mehreren Unterkategorien, die leider wegen dem Design nicht gut voneinander differenzierbar sind. Das ist aber vernachlässigbar. Man findet im normalen Teil zb. Vollkorn- und Pastagerichte, Proteine, "Suppen, Salate und Gemüsegerichte", Frühstück und Desserts, aber auch "Snacks, Drinks und Party-Food".
Die Reihenfolge ist dabei relativ beliebig, so findet man Frühstücksgerichte zb. nach den Desserts. Positiv ist, dass man für jede Gelegenheit eine Rezeptidee findet, sei es nun für vegane Eiersandwiches zum Tee, Alicias liebste Cupcakes oder einfach ein würziges Stew für Wintermonate.
Die Superhero-Rezepte unterteilen sich in Getreidehauptgerichte, Eiweissgerichte, "Suppen, Salate und Gemüsegerichte", "Gemüsegerichte für Superheroes", "Desserts für Superheroes" und Frühstück. Auch hier scheint mir die Reihenfolge etwas seltsam, ebenso, warum es "Gemüsegerichte" und "Gemüsegerichte für Superheroes" in der Superheroes-Rezeptkategorie gibt. Das ist ein wenig redundant. Teilweise ist die Einteilung auch etwas merkwürdig - eine Tofucreme findet sich beispielsweise bei den Getreidehauptgerichten.
Ich finde die Einteilung in die normalen und makrobiotischen Gerichte sehr fragwürdig. Es wäre praktikabler gewesen, alles zusammenzufassen, und die Superheroes-Gerichte speziell zu markieren, beispielsweise mit einem "S".
Hinweise bezüglich Soja- oder Glutenfreiheit oder sonstige Einstufungen von Gerichten fehlen ebenso wie übersichtliche Gesamtzeitenangaben. Gerade die fehlenden Zeitangaben sind für mich ein grosser Minuspunkt.

Hummus-Indikator: Null! (That's a first..) - dafür aber.. Rührtofu!


Umsetzbarkeit, Zutaten und Aufwand

Die Rezepte sind mit korrekten Informationen und Zutaten angegeben. Ich habe keinen grossartigen Fehler gefunden, in den Rezepten, die ich getestet habe. Insofern ist die Umsetzbarkeit diesbezüglich gut gegeben. Was mich allerdings gestört hat, war, dass Silverstone wie wild zwischen Rezepten für 2-3 Personen zu solchen für 4 Personen bis hin zu sechs Personen wechselt. Man kann sich diesbezüglich nicht drauf verlassen, was man hier nun "vorgesetzt" bekommt als Rezept. Hier wäre eine gewisse Normierung wünschenswert gewesen.
Die Umsetzung von Silverstones Rezepten stellt sich zudem deswegen als problematisch heraus, weil Silverstone sehr viele exotische Zutaten benutzt. Ich konnte etliche Rezepte nur sehr schwer nachkochen, manches musste ich auch überhaupt zurückstellen, weil eine exotische Zutat derart im Mittelpunkt stand. Als Beispiel seien hier genannt: Umeboshi-Pflaumen und Umesu-Essig, Klettenwurzel, Lotuswurzel, Kombu, frischer Daikon, Kuzu-Pulver, Distelöl, Kabocha-Kürbis, weisses Miso, TK-Edamame, veganer Mozarella, Naturreismehl, Reissirup, "Dose vegetarisches Chili", Limabohnen, milchfreier Sauerrahm.. Ich könnte noch weitermachen.

Gerade als Anfänger bezüglich veganem Kochen und exotischen Zutaten, wie ich es 2012 noch war, stellten mich diese exotische Waren vor grosse Probleme. Manches habe ich per Zufall entdeckt, einiges konnte ich über mein lokales Reformhaus bestellen, aber vieles habe ich auch gar nicht getestet, weil es mir zu teuer war. Umeboshi-Pflaumen kosten hier in der Schweiz selbst im Asialaden ziemlich viel. Für einen täglichen Genuss, wie Silverstone rät, ist mein Budget viel zu klein. Manches wie beispielsweise veganer Mozarella oder veganer Cheddar-Käse ist auch wegen kulturellen Unterschieden schwer zu bekommen.
Das Problem hierbei ist halt, dass wirklich fast jedes Rezept in irgendeiner Art und Weise eine mehr oder weniger exotische Zutat enthält. Man muss also fast für jedes Rezept in einen Bioladen oder in ein Reformhaus. Das macht das Buch sehr unpraktisch für Leute, die nicht in einer Stadt wohnen (wie ich) oder generell für vegane Kochanfänger.
Anmerkung 2016: Einige genannte Waren habe ich mittlerweile in der Schweiz entdeckt - an den Preisen ändert sich nichts. Umeboshi-Pflaumen und Umesu sind immer noch absurd teuer.

Nachgekochte Rezepte
Aus diesem Buch konnte ich nicht soviel nachkochen, wie ich es gerne gewollt hätte. Vieles ist dem geschuldet, dass ich Produkte hier einfach nicht gekriegt habe, als ich dieses Buch als Hauptfokus meiner Testküche auserkoren hatte. Manches davon ist auch für meinen ziemlich robusten Geschmack zu exostisch (oder zu langweilig). Das x-te Pasta-Tomatensosse-Rezept habe ich nicht mal in meinen veganen Anfangstagen testen wollen. Das konnte ich mir auch vorher schon vegan machen.
Generell muss ich zu den Rezepten sagen, dass ich sie meistens okay bis gut fand. Vieles fand ich zuwenig gewürzt, ob nun bezüglich Salz oder generell den Gewürzen. Das ist aber nachvollziehbar, rät Silverstone doch davon ab, zuviel zu salzen und zuviele Gewürze zu verwenden. Die Desserts habe ich wegen meiner Weight-Watcherskarriere alle nicht getestet. Ich habe also rercht wenig nachgekocht, und ich wurde auch oft eher enttäuscht.
Was aber positiv ist, dass ich durch Silverstone auch zu vielen neuen Zutaten gebracht worden bin, die ich bisher nicht kannte. Auch wenn ich ihr Rezept für Gomashio (Sesamsalz) nicht ausgetestet habe, habe ich mir fertiges Gomashio gekauft. Und auch wenn ich ihre Vorschläge für japanische Mochi-Klebreiskuchen nicht umgesetzt habe, habe ich mir im Asialden schon öfters Mochi mit Füllung gekauft.

Lieblingsrezept: Ingwerpasta mit Zucchini (gepimpt mit Tofu oder Räuchertofu - noch immer ein sehr oft nachgekochtes Rezept.)

Fazit
"Meine Rezepte für eine bessere Welt" kann ich nur mit gemischten Gefühlen beurteilen. Ich habe den Eindruck, dass Silverstone einfach zuviel will. Gesundheitliche Aufklärung, Makrobiotik, gute Rezepte, Ernährungspläne und Weisheiten, Warenkunde. Die Einleitung ist gut, aber alle Fakten, die nach den grundlegenden kommen, sind sehr kritisch zu betrachten, teilweise gar falsch. Das makrobiotische Konzept geht für mich hinten und vorne nicht auf, und enthält mir zuviel unkritisch wiederholte Aussagen, die nicht belegbar sind.
Die Rezepte sind teilweise von absolut dämlicher Schlichtheit (Weisser Reis), manchmal von interessanter Brillanz (Ingwerpasta). In punkto Geschmack erhielten die von mir getesteten Rezepte alle zwischen drei und vier von fünf Sternen, und es gab leider nur wenig, was wirklich herausgestochen hat. Die Umsetzung gestaltet sich auch - selbst als Stadtbewohnerin - als recht schwer, da viele exotische Zutaten benötigt werden, die schwer oder nicht zu bekommen sind.Durch diese Zutaten ist die Chance meiner Meinung nach hoch, dass ein gewisser Frustfaktor bei Vegan-Einsteigern, generellen Koch-Anfängern, aber auch Leuten auf dem Land ohne Bezugsquellen eintritt.
Rating: Meine Rezepte für eine bessere Welt erhält von mir 2 von 5 Sternen - leider keine Kaufempfehlung.

Cheers!
Rose


Getestete Rezepte
Heisser Reis mit kalter Zitrone, Basilikum und Tomaten; Knusprige Tofuscheiben mit Orangendip; Gebackener Tofu mit Ingwer; Warmer Salat von Kartoffeln, Sojabohnen und Gurken; Pfirsich-Minze-Eistee; Polentaauflauf mit Seitan; Kims roter Radieschen-Tabbouleh; Reis-Pilaw mit karamellisierten Zwiebeln; Ingwerpasta mit Zucchini; Christophers Blumenkohlsteaks; Rührtofu; Sommerlicher Succotash (Bohnen-Mais-Eintopf); Risotto mit Austernpilzen, Lauchstangen und Erbsen; Gepresster Salat mit Radicchio, Radieschen und Fenchel; Gepresster Salat mit Kohl, Radieschen und Gurken; Arame-Algen mit Karotten und Zwiebeln; Grüne Bohnen mit Hijiki-Algen und Ingwer; Warmes Müsli mit Polenta, Hirse und Mais

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