Sonntag, 21. August 2016

Bullshitfreie Kochbuchrezension: "Kick it vegan" - Lauber (Vol. 10)

Zurzeit warten bei mir vier Kochbücher darauf, rezensiert zu werden. Ilja Lauber's „Kick it vegan!“ wartet schon am längsten. Deswegen gehts dem Buch heute an den Kragen wird das Buch heute rezensiert. ;)
Hinweis bereits am Anfang: Das Buch habe ich mir auf die Empfehlung der Autorin hin besorgt (aber selber gekauft!) Ich bin auf Facebook mit der Autorin befreundet und stehe ab und an in Kontakt mit ihr. Ich denke nicht, dass das meine Rezension beeinflusst, aber möchte es der Transparenz halber bereits eingangs erwähnt haben.

Generelle Infos
"Kick it vegan! - Fit werden mit 130 Power-Rezepten"
Autorin: Ilja Lauber
Erscheinungsdatum: 2014 (1. Auflage)
Preis: ca. 20 Euro
Sprache: Deutsch
Verlag: Neunzehn

Grafik, Design und generelles Aussehen
„Kick it vegan!“ ist ein solider Wälzer. Im Format grösser als A4, fast zwei Zentimeter breit und mehr als ein Kilogramm schwer ist es nicht unbedingt für das Reisegepäck oder die Handtasche geeignet. In der heimischen Küche macht es sich aber trotz der Grösse und dem Hardcover gut. Die Seiten fallen vielleicht gerade dank ihrem Eigengewicht schön zur Seite, wenn man das Buch offen aufschlägt, selbst bei den ersten oder letzten paar Seiten. Das Kochbuch hat zudem ein Leseband, mit dem man die aktuelle Seite markieren kann – etwas, das bisher keines meiner Kochbücher hat. „Kick it vegan“ ist generell von hoher Qualität: Die Seiten sind alle im Hochglanz gedruckt, der Einband hält die Seiten nach intensiver Benutzung und einem Umzug immer noch fest, und hat zudem noch nicht einmal eine Delle. Das Preis-Leistungsverhältnis erfüllt „Kick it vegan“ in diesem Bereich auf jeden Fall.

Im Buch wird ein recht klares, unaufgeregtes Design verwendet. Der Titel des Rezepts ist in einer Farbe gehalten, zum Beispiel Braun oder Grün. Für einzelne weitere Elemente des Rezeptes wird dieselbe Farbe erneut verwendet, zb. für das Wort „Zutaten“, oder die Umrandung der Nährwerttabellen. Für ein Rezept wird eine Farbe gewählt. Es dominiert grün, orange, braun und blau. Der restliche Text ist in Schwarz gehalten. Diese einzelnen dezenten Farbtupfer machen das Lesen sehr angenehm, da sie auch eine visuelle Orientierung ermöglichen. Das Auge weiss, wohin es schauen muss, um die Zutatenliste zu erkennen. Die gewählte Schrift ist ohne viele Schnörkel und gut lesbar. Dies trägt zum generellen Eindruck von hoher Qualität bei.  

Ich habe nicht genau nachgezählt, aber ich schätze, dass mindestens drei Viertel der gut 130 Rezepte im Buch mit einer Farbfotografie des Gerichtes illustriert sind. Die Fotos sind grafisch und von der Präsentation der Gerichte her von hoher Qualität, aber auch Schlichtheit, was mich persönlich sehr anspricht. Das Endresultat, das Gericht, steht im Vordergrund, nicht irgendwelche essbaren Blüten, ausgepresste Zitronenhälften oder von oben herab fliegende gehackte Kräuter, wie es irgendwie zunehmend in Foodblogs und Kochbüchern der Fall ist. 
Fotos finden sich auch im inhaltlichen Teil. Wir dürfen die Autorin beim Sporteln bewundern. Man merkt, dass Lauber Fitness, Körperkraft und Ausdauer schätzt. Auf Nahaufnahmen ihrer Muskeln oder der obligate Bizeps-Flex-Klimmzug-Liegestütz-Fotoshoot nach Art gewisser anderer Fitness-Veganismus-Gurus wird glücklicherweise verzichtet. Das trägt zur unaufgeregten, unangeberischen, aber doch überzeugten Message bei, die das Buch vermitteln möchte.

Die Rezepte sind nach einem klaren Schema aufgebaut. Unter dem fett gedruckten Titel findet man die „Labels“. Lauber geht hierbei um einiges detaillierter vor als jedes Kochbuch, dass ich bisher in meinen Händen gehalten habe. Neben den relativ üblichen Labels wie „soyfree“ oder „glutenfree“ finden sich auch Labels wie „highKCAL“ oder „PROT“. Da sich das Kochbuch an eine ganze Reihe verschiedener Ess- und Sportkonzepte richtet, ist dies nachvollziehbar. Manche Rezepte haben mehr als sechs Labels, was teilweise etwas unübersichtlich wirkt. Für alle Rezepte gibt es allerdings neben dem alphabetischen Index auch noch einen Index mit tabellarischer Ausführung der Labels. So sieht man, welche Rezepte welche Kriterien erfüllen. 

Unterhalb der Labels findet sich eine kurze Ausführung der Autorin zum Rezept, beispielsweise woher die Inspiration für das Rezept stammte, oder eine Ausführung zu einer bestimmten Zutat. Die Ausführungen sind selten länger als zwei Sätze, geben den Rezepten aber auch einen angenehm persönlichen Touch. 
Danach folgt auch schon das konkrete Rezept. Grafisch werden dabei zwei Spalten verwendet: Eine schmalere, rechtsbündige Spalte auf der linken Seite gibt Informationen darüber, mit welchen Küchengeräten gearbeitet wird und wie viele Portionen am Ende erwartet werden können. Darunter findet sich die Auflistung der benötigten Zutaten. Falls ein Gericht mehrere Komponenten hat, werden die Zutaten der einzelnen Komponenten grafisch voneinander getrennt. Dies hilft, den Überblick zu bewahren. 
Unter den Zutaten findet sich eine tabellarische Auflistung der Nährwerte und die Angaben zu Fett, Kohlenhydrate und Eiweisse. Genial ist hierbei, dass hier nicht nur die Angaben pro Portion genannt werden, sondern auch pro gesamte Endmenge, und pro 100 Gramm! Das ist echt vernünftig, gerade auch, wenn man nicht eine ganze Portion essen will oder konnte, oder wenn noch ein Nachschlag auf dem Teller landet. Wer seine Kalorien und/oder Makros notiert, der dürfte sich an diesen Angaben sehr erfreuen.

Inhalt
„Kick it vegan“ ist nicht nur ein Kochbuch. Es nur als Kochbuch zu behandeln, wäre dementsprechend falsch, denn ein guter Drittel der Seiten behandeln nicht direkt Rezepte. In diesem Sinne ähnelt die Aufmachung des Buches ein wenig dem Buch von Alicia Silverstone, das ich hier bereits auch schon rezensiert habe. Der Unterschied? „Kick it vegan“ ist alles andere als Bullshit. 

Der Untertitel des Buches lautet „Fit werden mit 130 Power-Rezepten“. Wer nun annimmt, dass das Buch ein Hildmann-Diätabklatsch ist, der liegt ziemlich daneben, denn „Kick it vegan“ will nicht einfach nur Menschen ansprechen, die abnehmen wollen. „Kick it vegan“ will aber auch nicht einfach nur vegane Rezepte liefern. „Kick it vegan“ richtet sich auch nicht nur an Pro-Bodybuilder, die 150g Protein am Tag zu sich nehmen. „Kick it vegan“ möchte sich an eine breite Masse an Leuten wenden, die unterschiedliche Ziele haben. Es geht um den Körper und es geht darum, seinen Körper vegan zu ernähren. Das ist aber auch schon die einzige konsequente Konstante im Buch. Das Buch soll weniger dazu dienen, Ernährungspläne vorgefertigt zu liefern, sondern eher dazu, dass man sich seinen eigenen, auf seine eigene Situation angepassten Ernährungsplan herstellen kann. Und selbstverständlich kann das ganze Sport-Makro-Nährstoff-Fitness-Gesundheits-Getexte am Anfang auch übersprungen werden, um nur die Rezepte zu geniessen. In diesem Sinne ist das Buch also eine Art Setzkasten. Dies erklärt auch das ausführliche „Label“-System, das ich oben schon erwähnt habe. Die ganzen Labels dienen dazu, sich zurechtzufinden, welches Rezept sich nun für die Art Ernährung eignet, die einem gerade vorschwebt.
Du willst mehr Protein? Schau dir die HighPROT-Rezepte an. Du willst bulken/zunehmen? Such dir die HighKcal-Rezepte raus. Abnehmen? Wie wärs mit den LowKCAL- in Kombination mit den „fiber“-Rezepten? Du bist ein armer Student? Kombiniere „cheap“ mit HighKcal!

Ideen und Labelzuweisung für Personen, denen es schwer fällt, oft/viel zu essen (S. 103)
So ein Multitalent an Kochbuch braucht auch einiges an Einführung. Bevor Lauber mit den Rezepten im vierten Teil anfängt, führt sie in mehreren Kapiteln in drei Teilen aus, was die Idee hinter dem Buch ist, was sie so antreibt und wer möglicherweise zur Zielgruppe das Buches gehört. Sympathisch ist hier, dass Lauber zwar schreibt, dass das Buch schon für Sportfreaks gedacht ist (oder solche, die es werden wollen), aber dass man auch bei anderen Motivationen hier Inspirationen finden kann. Desweiteren führt sie aus, was man „bekommt“ (nämlich Rezepte vorwiegend gedacht für verschiedene Arten Sportler), aber auch, was man nicht bekommt (zb. Diätkonzepte mit Abnehmgarantien usw.)

Im zweiten Teil „Warm up“ darf die Motivation hinter veganer Ernährung nicht fehlen. Erfrischend ist hier, dass gesunde, vegane Ernährung zwar im Vordergrund des Buches steht – die Hauptmotivation, vegan zu sein oder sich öfters vegan zu ernähren, ist aber hauptsächlich ethisch/moralisch und teilweise ökologisch, aber nicht gesundheitlich begründet. Lauber geht sogar davon aus, dass „Schönheit“ und „Fitness“ nur begrenzt geeignete Gründe sind, sich vegan zu ernähren. Veganismus sei auch „kein universelles Wunderheilmittel“ (S. 16). Fragwürdige Argumente wie „der Mensch hat sich immer schon vegan ernährt“ werden ebenso entkräftet wie das Argument der „Natürlichkeit“. Meines Erachtens nach gelingt es Lauber hier gut, die Vorteile von Sport und Fitness, die grundsätzlich für jeden Menschen erstrebenswert sein können, neutral und nicht verknüpft mit den Vorteilen und Motivationen des Veganismus' zu präsentieren. Sport ist gut, Veganismus ist gut, aber weder ist Sport ein Bestandteil von Veganismus, noch kann man Fitness und Sport nur mit Veganismus erreichen. Diese Haltung zieht sich durch das ganze Buch, was es zu einer guten, bullshitfreien Ressource für sportbegeisterte oder -interessierte Veganer, oder veganismusinteressierte Sportler macht.

In den folgenden Abschnitten behandelt das Buch alle möglichen Aspekte von Sport, Ernährung, Makro- und Mikronährstoffen, „Clean-Eating“ und so weiter. An dieser Stelle wäre es unmöglich, alles aufzuführen und zu kritisieren. Grundsätzlich lässt sich aber sagen, dass die Informationen, die der Leser erhält, wissenschaftlich korrekt sind. Im kleinen „Vegan-1x1“ wird korrekt informiert, dass es keine Zauberei ist, sich ausgewogen vegan zu ernähren, dass man aber auch nicht blindlings einfach loslegen sollte, sondern sich ein gewisses Grundwissen erarbeiten soll. Dazu gehört auch die B12-Supplementierung mit regelmässigen Bluttests. Lauber erklärt dem Leser hier sogar den Unterschied zwischen Holo-TC und Homocystein-Tests beim Arzt, und warum es eben wichtig ist, nicht nur den Blutwert zu bestimmen. (Und wir befinden uns erst auf S. 19!)
Beachtenswert ist zudem, wie die Autorin mit dem Thema „gesunde Ernährung“ umgeht. Sie sagt selber, dass sie das Wort „gesund“ nicht so mag, und verwendet lieber den Begriff „Clean Eating“. Auch dieser Begriff ist mittlerweile ideologisch recht aufgeladen. Lauber umgeht das Problem insofern, dass sie sich klar gegen „Glaubenskirchen“ - sprich Diät- und Ernährungsideologien – ausspricht, aber auch, indem sie ihre Vorstellung von „Clean Eating“ klar definiert. Der Fokus liegt auf einer guten Versorgung mit Nährstoffen und mit Lebensmitteln, die einem die Art von Energie geben, die man für das eigene (sportliche) Ziel benötigt. Die Prämissen seien „Frisch“, „Primär“ und „Vielseitig“ - aber gleichzeitig wird nichts per se als „gut“ oder „schlecht“ eingestuft. Wer sich wegen einem konsumierten Nahrungsmittel gleich geisselt, der mache niemandem und schon gar nicht sich selber eine Freude.
Nur an wenigen Stellen ist die Wortwahl oder Satzformulierung etwas gewagt, wie beispielsweise beim Wort „Chemiebaukasten“ (S. 25) oder bei der Erwähnung von „gentechnisch veränderten Mikroorganismen“ ohne weiteren Kontext. Alles in allem ist dieser Abschnitt über „Clean Eating“ ist einer der grundsätzlich besten sowie auch wissenschaftlich fundiertesten, die ich von veganen Autoren gelesen habe.

Nach dem Bereich über Clean Eating folgt ein Abschnitt über Bio-Lebensmittel. Auch wenn die Autorin hier einige positive Punkte anspricht, hat mich dieser Abschnitt im Buch am meisten gestört, denn er erschien mir am wenigsten fundiert bzw. hinterfragt. Klar ist Demeter mal grundsätzlich ein Biolabel. Das für Demeter die Viehhaltung aber Pflicht ist und dass dort esoterische Praktiken (wie das Vergraben von Kuhhörnern) Pflicht ist, macht das Label für mich alles andere als vegan. Zudem stehen wir beim Biolandbau auch vor der grossen Problematik, dass zwar einerseits teilweise umweltschonender gepflanzt wird, andererseits ist Bio-Landbau deswegen problematischer, weil der Ertrag grundsätzlich niedriger ist, und weil eine teilweise unwissenschaftliche Anti-GMO-Haltung kombiniert mit naturalistischen Fehlschlüssen die Gesetz- und Richtliniengebung in diesem Bereich prägt. Da hätte ich mir noch eine deutlich differenziertere Auseinandersetzung gewünscht.

Das ist dann aber auch der einzige relevante Kritikpunkt am Informationsteil von „Kick it vegan“, und auch ein wenig die Suche nach der Nadel im Heuhaufen oder dem Haar in der Suppe. Die Informationen, die der Leser bekommt, sind grundsätzlich von hoher Qualität, wissenschaftlich fundiert, frei von Logikfehlern und sie werden undogmatisch und relaxt präsentiert. Die Teile über Ernährung, deren Bestandteile und die Funktionsweise unseres Körpers sind informativ und erhellend für Leute, die bisher im Biologieunterricht nicht aufgepasst haben (oder schlechte Lehrpersonen hatten). Grundsätzlich wird hier ein sehr guter Grundstein gelegt für den Einstieg oder eine Vertiefung in eine ausgewogene und reichhaltig-gesunde vegane Ernährung, oder eine auf die eigenen körperlichen oder sportlichen Ziele und Wünsche zugeschnittene Ernährung. Und wer nicht weiss, wie man überhaupt mit dieser Art Ernährung startet, für den hält Lauber eine ausführliche Auflistung an benötigten und speziellen Küchengeräten, Empfehlungen für den veganen Vorratschrank und eine detaillierte Warenkunde bereit. So kann's losgehen mit der veganen Powerküche!

Zu den Rezepten
Das Buch enthält mehr als 130 Rezepte, die in verschiedene Kategorien gegliedert sind. Bevor der Leser die Rezepte entdecken darf, führt eine ausführliche Legende in die unterschiedlichen Kategorien der Labels ein und erklärt, was damit genau gemeint ist.
Dann wird gestartet mit den „Basics“. Hier findet man Klassiker wie ein Seitanrezept, aber auch ungewöhnliches wie beispielsweise die Methode, Hülsenfrüchte einzukochen, oder Sojasahne selber herzustellen. Es sind also wirklich die Basics der Basics, und weniger eine Veganisierung von omnivoren Standardrezepten. Auch wenn ich das Rezept nicht probiert habe, fand ich es erfrischend, endlich mal ein Rezept für diesen ominösen „Hefeschmelz“ zu finden, von dem ich überall gelesen hatte, aber keine Ahnung hatte, wie man den herstellen soll.
Desweiteren folgen die Kategorien „Suppen und Salate“, gefolgt von den „Hauptgerichten“. Hier finden sich Sachen wie Burger und Pizza, aber auch klassische Beilagen wie „Ofengemüse“, die allerdings im Labelsystem durchaus auch als Hauptgericht gedacht sind. In der nächsten Kategorie finden sich „Snacks und Beilagen“. Hier hatte ich den Eindruck, dass auch einige klassische Frühstücksgerichte darin zu finden sind wie beispielsweise Rezepte zum Herstellen eigener Knuspermüslimischungen, oder ein überaus leckeres Buchweizenporridge.
In der Kategorie „Sweets und Desserts“ findet sich alles für den süssen Zahn. Auch hier erfüllt Lauber das Versprechen, Süssigkeiten für verschiedene Ernährungsformen zu präsentieren. Ein grosser Teil der Rezepte sind beispielsweise für Desserts unüblich reich an Proteinen oder arm an Kohlenhydraten.
Im nächsten Kapitel „Aufstriche und Dips“ findet sich alles für das süsse oder salzige Bestreichen des Brotes (oder Dippen, oder was auch immer). Vom klassischen Hummus, über einer weissen Schokoladencreme bis hin zu einem Tempeh-Paté findet sich für jeden Geschmack etwas.
In einem Buch, dass sich vor allem an Sportler richtet, darf die Kategorie „Drinks und Shakes“ natürlich nicht fehlen: Neben dem klassischen grünen Smoothie kann man eine Vanillemilch, ein Mango-Lassi oder auch eine „SteCola“ schlürfen und geniessen.

Die Inspiration für die Rezepte sind vielfältig – es scheint, als kämen Sachen aus der ganzen Welt zusammen, aber auch veganisierte Rezepte von der deutschen Grossmama dürfen nicht fehlen. Für den durchschnittlich-mitteleuropäischen Gaumen dürfte eine grosse Auswahl vorhanden sein.

Bei vielen Rezepten werden nach den Arbeitsschritten auch noch Variationen oder „Tuning“-Varianten aufgelistet. Wer ein niedrigkalorisches Rezept zubereitet, der bekommt also in vielen Fällen beispielsweise noch Optionen aufgelistet, wie man mehr Proteine oder mehr Kalorien zufügen könnte. Umgekehrt konnte ich einige Rezepte, die hochkalorisch waren, noch etwas runterschrauben in der Gesamtkalorienzahl. Auch Allergikern werden hier manchmal Optionen geboten, ein Gericht mit einfachen Veränderungen zum Beispiel sojafrei zu machen. Dies erhöht die Chance, dass man sich in mehr Gerichten „wiederfindet“ und sie nachkochen will.

Hummus-Indikator: Dingdong! :P (Ein bisschen erinnert mich der Chia-Kaviar zudem an die Instagram-gehypten Chia-Marmeladen. Aber ich lass das mal durchgehen!)

Umsetzbarkeit, Zutaten und Aufwand
Eines der heikleren Basic-Rezepte, das Sojajoghurt, hat bei mir nicht funktioniert. Da vermute ich aber, dass der Fehler bei mir liegt. Lauber schreibt auch, dass einiges schiefgehen kann. In meinem Fall kam leider kein Sojajoghurt, sondern eine Fäden ziehende schleimige Pampe raus. Da wollten die guten Bakterien nicht wirklich. Abgesehen von diesem Rezept war die Umsetzbarkeit der Rezepte grundsätzlich gut. Die Arbeitsschritte waren nachvollziehbar, machten Sinn, und gemäss meinen Notizen habe ich auch keine grösseren Unklarheiten bemerkt.
Einzig bei der Dosierung von Stevia hätte ich mir eine andere Angabe als „DL“ (Dosierlöffel) gewünscht. Erstens kommt kein Stevia in der Schweiz mit einem Dosierlöffel, zweitens könnten Dosierlöffel ja unterschiedlich gross sein. (Addendum: Die Dosierung wird im vorbereitenden Teil angegeben. Dies habe ich überlesen. Damit fällt der Kritikpunkt weg.)

Der Aufwand hält sich bei den meisten Rezepten in einem angemessenen Rahmen. Gerade die Snacks, Aufstriche und Getränke sind in vielen Fällen sehr rasch zusammenmix- und -mischbar. Leider fehlen bei den Rezepten übersichtlich dargestellte Zeitangaben, die ich grundsätzlich in Kochbüchern als Dienst am Leser sehr schätze.

Die verwendeten Zutaten sind mittelschwer besorgbar. Ein Grossteil ist im durchschnittlichen Supermarkt erhältlich. Für einige Sachen muss man sicherlich einen Bioladen oder ein Reformhaus bemühen, beispielsweise für Sojamehl oder Seitan fix, für Lupinenmehl, Stevia und das sehr oft verwendete Erythrit oder auch Kichererbsenmehl. Wer keinen dieser Läden in der unmittelbaren Umgebung hat, oder aus diversen Gründen solche Zutaten auch nicht online bestellen kann, der muss sich bei einigen Rezepten Varianten überlegen.
Einige Rezepte verwenden zudem veganes Proteinpulver. Wer zuhause nicht schon einen (geschmacksneutralen!) Favoriten hat, könnte hier auch noch in die eine oder andere Ausprobier-Falle treten. Ich selber habe mich noch nicht an Proteinpulver herangewagt, aber schon gehört, dass das sehr geschmacksabhängig sind.
Als Schweizerin habe ich noch einen etwas anderen Blick auf Zutatenlisten von Kochbüchern von deutschen Autoren. Einige Sachen bekommt man so in der Schweiz nicht. Grünkohl lässt sich beispielsweise nur frisch kaufen (wenn überhaupt), und nicht in Gläsern. Wenn man eine Pilzmischung im Tiefkühlabteil des Supermarktes findet, ist es selten eine „Asiapilzmischung“. Und „Bratfischgewürz“ ist auch etwas sehr deutsches. Mit ein bisschen Recherche und Abwandlungen kriegt man das aber auch hin. (Ich habe beispielsweise vergebens nach Erythrit Ausschau gehalten, und schliesslich beschlossen, einfach Stevia zu verwenden, oder es ganz wegzulassen.)

Nachgekochte Rezepte
Ich habe im Jahr 2014 und 2015 insgesamt 31 Rezepte aus „Kick it vegan“ nachgekocht. Grundsätzlich ernähre ich mich eher mit wenig Fett und mit Nahrungsmitteln von geringer Energiedichte, da ich übergewichtig bin und eher abnehmen möchte. Aus diesem Grund habe ich mich vor allem an Rezepte mit den Labels „LowKcal“ oder „LowFat“ gehalten. Gehalten habe ich mich vor allem an Rezepte aus den Bereichen der Suppen und Salate, Hauptspeisen und Beilagen. Basics habe ich nur wenige ausprobiert, ebenso kaum Aufstriche und Dips. Die meisten Aufstriche waren süss, und ich bin eher die salzige Brötchenbeschmiererin. Dazu kommt, dass einige Kategorien für meinen Ernährungsstil besser geeignet waren als andere. Die Rezepte bei den Suppen und Salaten sind fast alle niedrigkalorisch, während die Aufstriche und Dips fast alle hochkalorisch sind. Grundsätzlich zeigt sich da ein wenig das Problem bei der grossartigen Vielfalt und dem Wunsch der Autorin, Rezepte für alle möglichen Ernährungsstile zu liefern: Wer sich versucht, nach einem gewissen Stil zu ernähren, in meinem Falle kalorien- und fettarm, dem entgehen einige toll aussehende leckere Rezepte, die für den genau entgegengesetzten Ernährungsstil (zb. hochkalorischer Bulk) gedacht sind.
Wer das Buch allerdings einfach als generelle Rezeptequelle sieht, den dürfte das nicht betreffen.

Die Rezepte, die ich ausprobiert habe, habe ich in meiner Rezeptdatenbank alle mit 3-5 von fünf Sternen bewertet. Drei-Sterne-Wertungen waren meistens meinem eigenen Geschmacksempfinden geschuldet. Laubers Rezept für gefüllten Butternusskürbis konnte mich leider nicht von meiner Kürbisphobie kurieren, weshalb ich das Rezept mit drei Sternen bewertet habe. Einer guten Freundin hat es aber hervorragend geschmeckt. In einem einzigen Fall hat ein Rezept nicht so gut geklappt. Beim Rezept mit den Polentaschnitten war meiner Meinung nach zu viel Flüssigkeit auf zu wenig Polentagriess vorhanden.

In fast jedem salzigen Rezept verwendet die Autorin zudem ein wenig Erythrit. Grundsätzlich ist dies nachvollziehbar, gehört es doch zu einer gewissen Küchentradition, dass man zb. zu Salatsossen etwas Zucker hinzugibt, um den Geschmack hervorzuheben. Auch bei süssem Gebäck darf eine Prise Salz nicht fehlen. „Kick it vegan“ ist aber meiner bisherigen Erfahrung nach das einzige Kochbuch, dass diese süsse Komponente dermassen oft einsetzt. Für meine Umsetzung der Rezepte habe ich es grundsätzlich weggelassen. Ich mag Süsses und Salziges gemischt grundsätzlich nicht. Bei manchem schien es mir aber auch schlicht zuviel – so wird zum Beispiel im Sahnegeschnetzelten (S. 182) 3 TL Erythrit hinzugegeben. Die Rezepte haben auf jeden Fall auch ohne Erythrit geschmeckt – und die Autorin und ich werden uns vermutlich noch lange darüber streiten, wie sinnvoll Süsses in Salzigem ist. (Für empfindliche Mägen dürfte es zudem ratsam sein, Erythrit durch regulären Zucker oder andere, besser verträgliche Süssstoffe zu ersetzen. Erythrit kann einen gewissen „laxativen“ Effekt auf das Verdauungssystem haben, je nach Verträglichkeit und konsumierte Menge.)

Lieblingsrezept: Auf jeden Fall der innovative Ofen“Visch“, und das Rühr'ki, mit dem mich die Autorin zum Kichererbsenomelett konvertiert hat. Auch die Spinat-Haferpfanne war genial lecker, und der Karottenshake, innovativ mit Haselnuss drin, hat mich echt überrascht.

Fazit:
„Kick it vegan“ überzeugt mich auf sehr vielen Ebenen. Der ausführliche inhaltliche Teil ist sachlich fundiert und wissenschaftlich akkurat geschrieben. Trotz dem Fokus auf Sport und der Hauptzielgruppe Sportler  vertritt die Autorin die moralisch-ethische und ökologische Begründung des Veganismus und geht sogar soweit zu sagen, dass vegane Ernährung kein Allheilmittel, die vegane Küche nicht automatisch „gesund“ sein muss. Veganismus ist toll, Sport ist toll, man kann beides kombinieren, aber Sport ist weder verpflichtend für den Veganismus, noch ist Veganismus verpflichtend für den Sport. Das ist sehr sympathisch, denn viel zu oft wird man als Veganer mit solchen gesundheitlichen und sportlichen Imperativen bombardiert. In Laubers Schilderungen ihres eigenen Wegs bis hin zur Sportliebhaberin mag ich mich zumindest viel eher identifizieren als in gewissen anderen Schilderungen. „Kick it vegan“ ist mehr als nur ein Kochbuch – und richtet sich auch nicht nur an eine Zielgruppe. Dieses Versprechen erfüllt das Buch vollständig. Das Buch kann sowohl einem Bodybuilder als auch einem Sportmuffel mit Abnehmwünschen geschenkt werden. Die Rezepte sind solide, in den meisten Fällen sehr schmackhaft und gut durchführbar. Die Rezepte sind wie das ganze Buch von hoher Qualität und hohem Informationswert. Und das nur für 20 Euro! Klare Kaufempfehlung mit 5 von 5 Sternen!

Cheers!
Rose


Nachgekochte Gerichte: Sojajoghurt, Tomaten-Kichererbsensalat, Blitz-Bohnensalat, Hirse-Petersiliensuppe, Ohne-Hering-Salat, Asia-Rosenkohl-Salat, Blumenkohlcremesuppe, Seitan-Geschnetzeltes in Erdnusssauce, Butternutkürbis mit Zitrus-Räuchertofufüllung, Hafer-Parika auf griechische Art, Rührki', Protein-Bratspaghetti mit Cashew-Miso-Sauce, Sahnegeschnetzeltes, Kokos-Pilz-Nudelpfanne, Mediterrane Tagliatelle mit Aubergine, KaPü+, Wintereintopf, Spinat-Haferpfanne, Reispfanne mit Gurken und Erdnüssen, No Shepherd's Pie, Polentaschnitten mit Pilzragout, Sahneweisskohl, Rote Linsen mit Sahnesauerkraut, Ofen-Visch, Buchweizen-Birnen-Porridge, Kirsch-Mandel-Eiscreme, Gebackene Bananen im Reispapier, Erdbeer-Hafershake, Mango-Lassi, Karottenshake, Softdrinks: SteCola

Montag, 20. Juni 2016

Gold & Green "Pulled Oats" - Finnische Fleischalternative aus Hafer-, Erbsen- und Bohnenproteinen: Testbericht

Die ersten Artikel darüber erschienen vor etwa einem halben Jahr, zb. hier bei Reuters. Mit "Pulled Oats" (einer Anspielung auf die traditionell-amerikanische Speise Pulled Pork) will ein finnisches Unternehmen den Fleischalternativen-Markt neu aufmischen. Irgendwo in deutschsprachigen veganen Kreisen wurde das auch diskutiert - selbstverständlich finde ich jetzt keine Anzeichen mehr, wo das war. Ähem.

Wie dem auch sei. Das Produkt ist seit kurzer Zeit in Finnland in den Läden erhältlich. Die ersten Lieferungen waren nach wenigen Studnen ausverkauft und auch jetzt noch verkauft sich das Produkt sehr gut. Die Produktionsfirma gold&green kommt offenbar mit dem Liefern kaum nach. Aufgrund persönlichen Vitamin Bs (harhar) hatte ich die Gelegenheit, Pulled Oats von der Firma "Gold&Green" zu testen, direkt importiert von Finnland.

Die Sorten

Pulled Oats von gold&green
Die erhältlichen Sorten sind "nude", also ohne Würze, "tomato, smoked paprika, leaf parsley" (Tomate, geräuchertes Paprikapulver, Glattblättrige Petersilie) und "kaffir lime, sesame, ginger" (Kaffirlimette, Sesam, Ingwer).

Inhalt und Zusammensetzung sowie Nährstoffe
Das hat es in der Nature-Packung drin: (aus dem Finnischen bzw. Schwedischen übersetzt)
Wasser, Hafer (14%), Erbsenprotein (14%), Ackerbohnenprotein (9%), jodiertes Salz, Rapsöl. 

Das Produkt kommt somit ohne Weizen(*) und ohne Soja aus, was für allem für Leute mit Weizenallergie/Glutenunverträglichkeiten(*) und Soja-Allergiker sehr interessant ist.

Nährwerte pro 100g:
4.9g Fett (davon >0.1 gehärtetes)
7.5g Kohlenhydrate (davon 0.3g Zucker)
31.2g Proteine (!)
2.1g Ballaststoffe
1.3g Salz


Mit über 30 Gramm Protein pro 100g, was auf 71-78 Gramm Protein für die Packung hinausläuft (je nach Sorte), erfüllt das Produkt ziemlich klar die Kategorie "Proteinbombe". Für Vegan lebende Personen, die auf ihren Proteinkonsum achten und mehr als eine durchschnittliche Person aufnehmen (zb. Muskelaufbau), könnte dieses oder ein ähnliches Produkt sehr interessant sein.
(Zum Vergleich: Tofu liefert ca. 15-16g Protein auf 100 Gramm (bei ca. 150 +- Kcal), Seitan etwas mehr als 20g auf 100g (bei 120kcal) und gekochte Kichererbsen etwa 7-8g auf 100g (bei 120kcal/100g). (Alle Angaben von fddb.de). 


Nährwerte und Aminosäure-Zusammensetzung von "nude"
Sehr informativ ist die Tabelle neben den Nährwertangaben. Sie liefert Hinweise darauf, welche Spurenelemente und Eiweisssorten in dem Produkt vorhanden sind. Das geht deutlich über die gesetzlich notwendigen Informationen hinaus und zeugt davon, dass die Macher des Produkts Ahnung haben, was in der veganen Ernährung nötig ist und welche Informationen gut informierte vegan lebende Personen benötigen. Gerade die Angaben zu Metionin und Lysin sind interessant, da es vorkommen kann, dass man als vegane Person zuwenig Lysin zu sich nimmt (Quelle). Zudem liefert die Tabelle einen direkten Vergleich mit dem Gehalt an diesen Aminosäuren in Hähnchenbrust ("kananrinta" in Finnisch). Hier schneidet das Produkt in fast allen Bereichen besser ab als das omnivore Pendant.

Aussehen und Konsistenz
Die Konsistenz des Pulled Oat ist mit nichts zu vergleichen, was mir im Fleischalternativen-Markt bisher untergekommen ist. Eine dermassen faserig-fleischige Konsistenz habe ich das letzte Mal im Mund gespürt, als ich Gulasch gegessen habe, das mit "Rindsvoressen" gekocht wurde (ein besonders zähes Stück Fleisch vom Rind, das lange gekocht werden muss und dann faserig-zart wird, vermutlich ähnlich wie Siedfleisch).
Von der Textur her ist das Produkt absolut überzeugend. Obwohl ich noch nie "Pulled Pork" gegessen habe, kann ich mir gut vorstellen, dass die Textur sehr ähnlich ist. Pulled Pork ist ja auch zähes Fleisch, das sehr lange gekocht wird, damit es nahezu schon fast "auseinanderfällt". Die Bilder sahen jedenfalls immer danach aus. Man kann die Stücke auch gut mit der Hand oder der Gabel auseinanderzupfen. Beim zweiten Foto sieht man die Konsistenz noch etwas besser, da ist das Produkt bereits angebraten.
Da das Produkt deutlich weniger fettig ist, ist es auch weniger "feucht". Es ist recht trocken. Das ist wohl der einzige fundamentale Unterschied.

Geschmack
Der Geschmack des Produkts ist kaum richtig greifbar. Leicht rauchig, aber wenig fleischig vom Geschmack her. Es fehlt deutlich an der sonst so üblichen "Fettigkeit", die ein Fleischprodukt mit derselben Konsistenz hätte. Ich hatte deutlich mehr zu beissen als zb. bei Seitan - und das will was heissen.
Die beiden gewürzen Varianten sind nicht wirklich gewürzt. Von den Geschmacksrichtungen habe ich eigentlich kaum was gemerkt, und würde künftig nur noch zur "nude"-Variante greifen, und selber würzen.

Testküche

Ich habe es mir natürlich nicht nehmen lassen, das Pulled Oats in verschiedenen Formen kulinarisch zu verkochen und zu testen. Als Abschluss möchte ich davon einige Fotos zeigen.

"nude"- ganz einfach mit etwas Zwiebel und Pilzen angebraten

Die Kaffirlimetten-Ingwer-Version mit viel Gemüse angebraten,
zu Reis serviert

"Jerk Sloppy Joes" aus "Isa does it" mit der Tomaten-Variante
statt mit Seitan. Hat super geschmeckt!

Die "nude" Variante schlicht angebraten mit etwas
Liquid Smoke, serviert zu Mais-Spargelgemüse

Fazit: Mit der Pulled-Oats-Linie ist dem Startup "Gold&Green" ein absolutes Hammerprodukt gelungen. Die Fleischalternative ist überraschend faserig-fleischig von der Textur und vom Kochverhalten her, dabei schmeckt sie aber nicht übertrieben fleischig und spart auch deutlich am Fett. Der Proteingehalt und der erhöhte Gehalt an essentiellen Aminosäuren dürften vegan lebende Personen mit oder ohne Fokus auf Proteinzufuhr interessieren. Zudem kann das Produkt kalt oder warm gegessen werden, in der warmen Küche kann es auf mehrere Arten zubereitet werden (ich bin sicher, da gibts noch viel kreativere Köpfe als ich.) Allergiker profitieren zudem davon, dass das Produkt Weizen(*)- UND Sojafrei ist.
Die Produkte sind zudem relativ lange haltbar. Meine Packungen wurden Anfang Juni gekauft und waren bis am 22./23. Juni haltbar.

Wermutstropfen: Das Produkt ist bisher nur in Finnland erhältlich und dort dermassen beliebt, dass es auch mehrere Monate nach Markteinführung wenige Stunden nach den Neulieferungen ausverkauft ist. Wir können nur hoffen, dass das Produkt bald im deutschsprachigen Raum erhältlich sein wird. (Wobei die Erfahrung ja zeigt, dass Deutschland vermutlich eh zuerst Glück hat, und die Schweiz viel später nachzieht. Also so etwa in fünf Jahren. Bis dahin stille ich mein Verlangen mit meinen immer mal wieder erfolgenden Finnlandtrips. :D)

*Anmerkung: In einer ersten Fassung dieses Artikels stand, dass das Produkt Glutenfrei sei. Ich wurde zurecht drauf hingewiesen, dass das so nicht stimmt. Das Produkt ist Weizenfrei und bewirbt sich auch nur so. Ich entschuldige mich für den Fehler. Ich unterlag dem klassischen "Nur Weizen enthält Gluten"-Fehlschluss, da ich selber nicht betroffen bin. Vielen Dank für die Anmerkung. :)

Dienstag, 15. März 2016

Alles natürlich oder was? Raab Vitalfoods Buchweizenkeimpulver mit B12

Vor einiger Zeit habe ich mit einer guten Freundin ein Gespräch über ein Produkt geführt. Sie bat mich einzuschätzen, was ich von dem Produkt und seinen Versprechen halte. Es handelt sich um das Buchweizenkeimpulver von Raab Vitalfoods. Das Pulver ist rohvegan und behauptet, eine "natürlicher" B12-Quelle zu sein. Dem musste ich nachgehen.

Denn: Buchweizen enthält doch gar kein B12? Und wenn überhaupt, würde es nicht B12-Analoga enthalten?

Der Trick liegt im Herstellungsverfahren

Buchweizen enthält von Natur aus immer noch kein Vitamin B12. Im vorliegenden Falle kann man aber davon ausgehen, dass das Produkt verwertbares B12 enthält, denn die Buchweizenkerne werden in einer B12-Nährlösung zum Keimen gebracht, und nehmen das B12 dadurch auf. Es sind also keine Analoga, sondern verwertbares Cyanocobalamin.
Bereits vor einem knappen Jahr habe ich mich mal mit einer Ringana-Frischepartnerin auf Facebook darüber debattiert, die einer Posterin im Tellerchen-Debattierklub "natürliches" B12 aus Buchweizenkeimen verkaufen wollte. Ich ging davon aus, dass Buchweizen kein B12 enthält, wenn überhaupt höchstens Analoga. In der Diskussion stellte sich dann heraus, dass dieses Produkt durchaus B12 enthält, aber eben: Quinoa und Buchweizen werden durch dieses spezielle Keimverfahren geschleust und erhalten so einen kleinen Anteil B12.
Dies scheint auch beim Produkt von Raab Vitalfoods der Fall zu sein. Das Magazin Vegpool hat mit Andrea Müller, Ernährungswissenschaftlerin und Produktentwicklerin bei der Firma Raab Vitalfoods, ein Interview geführt. Darin sagt die Dame folgendes:
"Buchweizen enthält von Natur aus kein Vitamin B12. Die Buchweizensamen für unser Produkt werden in einem speziellen Verfahren gekeimt und reichern dadurch Vitamin B12 an."
Mensch darf annehmen, dass damit ein ähnliches oder dasselbe Verfahren gemeint ist.

Rohvegan und "natürlich"? Was kann daran denn schlecht sein?

Klingt doch super, oder? Natürliches B12 aus Buchweizenkeimen. Warum sollte man das Produkt nicht nehmen?
Das Produkt ist aus zwei Hauptgründen problematisch und meines Erachtens nicht empfehlenswert:

1) Dosierung: Bei dem erwähnten Produkt Buchweizenkeimpulver von Raab Vitalfoods besteht das Problem meines Erachtens vor allem in der Dosierung. Die von Raab Vitalfoods empfohlene Dosierung beträgt eine "Messerspitze" (0.5g) pro Tag. Gemäss den Angaben auf der Herstellerwebsite enthält diese Portion 2,25 Mikrogramm B12, was 90% des täglichen Bedarfs entsprechen würde. Der tägliche B12-Bedarf eines gesunden Körpers beträgt tatsächlich etwa drei Mikrogramm B12. Je nach Dosis und Verabreichungsform von B12 wird aber nur ein kleiner Anteil des zugeführten B12 vom Körper auch tatsächlich verwertet. Deswegen empfielt eine Reihe von veganen Organisationen wie beispielsweise die Vegane Gesellschaft Schweiz oder das Informationsportal High Five Vegan eine Zufuhr von mindestens 25 Mikrogramm täglich oder die besser geeigneten hochdosierten Präparate von 1000 Mikrogramm aufwärts, die zweimal pro Woche zugeführt werden.
Die Dosierung ist beim erwähnten Buchweizenkeimpulver ungenügend. Veganerinnen und Veganer, die sich nur auf dieses Produkt berufen, geraten in die Gefahr einer Mangelversorgung von B12, wenn sie sich auf die angegebene Dosierung verlassen. Eine höhere Dosierung mit dem Produkt scheint aufgrund der Bitterkeit des Produkts (gemäss Interview) etwas problematisch. Zudem kostet das Produkt mit 20 Euro auch ziemlich viel. Eine Dose Jarrows kostet 15-30 Euro, je nach Dosierung, reicht aber je nach Dosierung für zwei Monate bis hin zu einem ganzen Jahr.

2) Naturalistischer Fehlschluss: B12 wird von Bakterien hergestellt. Immer. Ob nun im Kuhmagen, in der Erde oder im Labor für die Produktion von Vitamintabletten. Bei diesem Produkt nimmt das B12, statt dass es direkt "ab Bakterie" konsumiert wird, einen unnötigen "Umweg" über Buchweizen und verliert dabei einiges an Effizienz und erhöht den Preis massiv. Das Herstellungsverfahren für das Vitamin B12 bleibt dasselbe, ob es nun in die Nährlösung kommt oder in hochdosierte Nahrungsergänzungsmittel. Es wird dann einfach aufwändig und ineffektiv durch Buchweizen "geschleust", um ein angeblich "natürlicheres" Produkt zu bekommen. 

Bei eher ungebildeten oder wenig informierten Personen kann einerseits die Verknüpfung entstehen, dass herkömmliche B12-Präparate irgendwie weniger "natürlich" seien und somit "schlechter". Andererseits kann das zur Schlussfolgerung führen, Buchweizen generell enthalte B12. Mit solchen naturalistischen Fehlschlüssen tut sich die vegane Community generell keinen Gefallen.
(Hier kann nachgelesen werden, worin das "Problem mit der Natürlichkeit" liegt.)

Das Produkt entlarvt sich auch ein wenig selbst, wenn Frau Müller sagt, dass man es aufgrund von geltenden Konventionen nicht als Bio labeln könne, obwohl die Zutaten biologisch angebaut seien. "Das Verfahren der Spezialkeimung" sei nicht biozertifizierbar, sagt sie im Interview. Gemäss aktuell geltendem Recht dürfen biologischen Nahrungsmitteln und verarbeiteten Produkten keine Vitamine beimischt werden. Dass das aktuell geltende Bio-Recht die "Spezialkeimung" von Buchweizen also genauso behandelt wie das reine Zumischen von Vitaminen wie B12, zeigt, dass sich die Vitaminanreicherung à la Nährlösung kaum von der regulären unterscheidet. Von mehr "Natürlichkeit" kann nun wirklich keine Rede sein.

Fazit: Bitter, überteuert, unterdosiert und kaum "natürlicher" als reguläre Supplemente

 

Aus diesen Gründen rate ich davon ab, mit Buchweizenkeimpulver zu supplementieren. Produkte wie "Boost Spray", Sante-Zahnpasta oder Jarrows sind dazu deutlich besser geeignet und sollten eher empfohlen werden.

Wer dieses oder andere angeblich "natürlichere" Produkte empfiehlt, öffnet einerseits dem auch in der veganen Community immer mehr verbreiteten Natürlichkeitsbias Tür und Tor, andererseits öffnet das aber auch Marktlücken für Unternehmen, die diese Fehlschlüsse ausnutzen und mittels angeblich "natürlicherer" Produkte den Leuten unnötig Geld aus der Tasche ziehen und mittels Faktenverdrehung dazu beitragen, dass günstige, einfach erhältliche und zuverlässige Produkte diskreditiert werden und dass Vegane Personen eine Unterversorgung mit B12 riskieren.

PS: Jarrows schmecken nach Kirsche oder Orange. Schmeckt eh viel besser als "bitter".

PPS: Möchtest du mehr Informationen und Erklärungen zum wichtigen Vitamin B12, der optimalen Dosierung und empfohlenen Produkten? High Five Vegan bietet dir meines Erachtens die beste Übersicht.
Du kannst mir auch eine eMail unter rationalvegan(ät)gmx.ch schreiben.

Montag, 8. Februar 2016

Bullshitfreie Kochbuchrezension: "Kochen ohne Tiere" - Bretsch (Vol. 9)

Ab jetzt folgen aktuelle Rezensionen.. Den Einstieg machen wir mit einem schön illustrierten Kochbuch. :)

Generelle Infos
Kochen ohne Tiere - Vegan geniessen
Autorin: Katharina Bretsch
Erscheinungsdatum: 2012
Preis: ca. 30 Euro
Sprache: deutsch
Verlag: Christian Verlag

Grafik, Design und generelles Aussehen
 "Kochen ohne Tiere" ist sehr massiv. Mehr als zwei Zentimeter dick, die Seiten in der Grösse eines A4-Blattes und gut ein Kilogramm schwer bewegt sich das Kochbuch von Katharina Bretsch im Bereich der eher massiveren, unhandlicheren Kochbücher. Für den Urlaub im gemieteten Ferienhäuschen steckt man lieber andere Kochbücher ins Gepäck. Für den Alltagsgebrauch eignet sich das Kochbuch aber durchaus - durch das gute Gewicht braucht es keine zusätzliche Hilfe, um das Buch an einer aufgeschlagenen Seite an Ort und Stelle zu halten. Ein Stofffaden/-lesezeichen wird im Buch miteingebunden, mit dem man Rezepte auch markieren und so schnell wiederfinden kann.

Grafisch ist das Buch eine reine Augenweide. Das liegt nicht unbedingt am Design des Rezeptes selber, sondern in den zahlreichen und ausführlichen, das Buch überall durchdringenden Illustrationen der Autorin. So tummelt sich beispielsweise eine pinkelnde Spargelstange beim Rezept zu einer Spargelsuppe, eine vielarmige indische weibliche Gottheit bringt Mangos für eine Mangosuppe und ein etwas gruseliger veganer Bodybuilder saugt ein Risotto in sein Hirn (siehe Beispielfotos). Die Illustriationen sind teils informativ, teils innovativ und teilweise sogar ziemlich gruselig - stehen aber immer in einem Bezug mit dem Rezept, dass sie präsentieren. Eine Doppelseite ist einer ausführlichen Illustration um das Foto des Gerichts gewidmet. Einzelne Ausschnitte oder Ergänzungen werden dem tatsächlichen Rezept auf der nächsten Doppelseite hinzugefügt. Jedes der Rezepte ist so ausführlich illustriert. Für die Kategorientrenner gibts nochmal weitere ergänzende Illustrationen. Das Buch ist also ein Kunstwerk an sich. Dies verwundert nicht, wenn man die Hintergründe weiss: "Kochen ohne Tiere" war eine grafische Abschlussarbeit der Künstlerin/Grafikerin Katharina Bretsch. Der grafische Aspekt überzeugt vollends. Man spürt viele Details und viel Kreativität in jedem Bild.

Die Rezepte sind von der Gestaltung her relativ schlicht und unaufgeregt gehalten. Auf der ersten Seite der Rezeptdoppelseite befindet sich jeweils der Rezeptname, meistens unter einer Illustration, sowie manchmal auch unten an dieser Seite noch ein Hinweis zur Illustration oder zu gewissen Fakten (zb. warum manche Menschen von Spargel einen geruchsintensiven Urin bekommen und andere nicht.)
Auf der anderen Doppelseite befindet sich dann in der Mitte des Buches die Zutatenliste als Aufzählung, meistens in zwei Spalten, und darunter die Arbeitsschritte, ebenfalls in zwei Spalten, in nummerierten Schritten. Zutatenlisten, Hinweise und Arbeitsschritte sind immer in schwarz gehalten, die Zutaten sind fett gestaltet. Die Schrift der Arbeitsanleitungen ist - für die Grösse des Buches und dem restlichen Platz auf den meisten Doppelseiten - recht klein gehalten. Das wird grad bei etwas schlechtem Licht etwas mühsam zum Lesen.
Die Titel der Rezepte, das Wort "Zutaten", die Aufzählungszeichen und die Nummern der Arbeitsschritte sind jeweils farbig, aber für jedes Rezept wieder in einer anderen Farbe. Manchmal sind die Farben etwas gar hell gewählt.

Auf welcher Seite man sich gerade befindet, ist etwas schwer herauszufinden. Es ist jeweils nur die Rezeptseite der zwei Doppelseiten pro Rezept mit der tatsächlichen Seitenzahl angeschrieben. Auch beim Vorwort fehlt eine Seitenzahlangabe, so dass die erste Seitenzahl erst auf S. 19 erscheint. Das finde ich gerade bei Kochbüchern etwas mühsam für die Orientierung.

Ein Wort möchte ich noch zu den Fotografien verlieren. Jedes Rezept ist mit einer Fotografie des Gerichts bebildert. Die Fotografien wirken in einigen Fällen etwas amateurhaft. Man merkt schon, dass die Autorin die Fotos selber geschossen hat. Dass die Rezeptfotos in die Illustrationen eingebettet sind, ist etwas schade, denn: Die Illustrationen sind so gut, dass die Fotos daneben blass wirken.

Angaben zu Allergenen wie Glutenfrei und Sojafrei fehlen, ebenso die Angaben zur Zeit, die man zum Kochen benötigt. Gemäss dem Vorwort (Ich würde ja die Seitenzahl angeben, aber dann müsste ich ewig zurückrechnen) ist dies Absicht. Die Autorin schreibt, dass sie explizit darauf verzichtet habe, dies zu notieren, denn "keine abgedruckte Zahl, sondern die individuelle Geschwindigkeit [soll] den Takt vorgeben". Zeitangaben in Kochbüchern sind immer nur Schätzwerte und die individuelle Zeit kann varieren. Es ist dennoch hilfreich zu wissen, wieviel die Autorin vorschlägt, vor allem, wenn man Menüs und Rezepte vorplant und wissen muss, wieviel Zeit man einplanen muss, bis das Abendessen auf dem Tisch steht. Ich kann dieses Argument so nicht stehenlassen. Für mich ist dies - wie ich es konsequent auch bisher rezensiert habe - eher ein Kritikpunkt.

Inhalt
Ich habe bereits erwähnt, dass pro Rezept im Buch ganze zwei Doppelseiten gebraucht werden. Jede Kategorienvorstellung hat zudem noch eine eigene illustrierte Doppelseite. Das Buch von Bretsch hat also bei knapp 250 Seiten, bei mehr als 2cm Breite nur 55 Rezepte zu bieten. Einerseits ist das verständlich, wenn man bedenkt, dass das Buch nicht nur ein Kochbuch, sondern auch eine grafische Abschlussarbeit ist. Zudem hat Bretsch alle Rezepte selber entwickelt und fotografiert. Dennoch hinterlässt das bei mir ein bisschen das nagende Gefühl, für viel Geld wenig Inhalt bekommen zu haben. Ich zumindest habe das Buch nicht wegen den Illustrationen gekauft, sondern wegen den Rezepten. Das Buch will zwei Zielgruppen ansprechen: an Grafik interessierte Personen und an Kochbuch-Fans. Grad die Kochbuch-Fans dürften etwas enttäuscht werden, bietet das Buch doch eben - eher wenig Inhalt.

Auf eine ausführliche textliche Begründung zu ihrem Projekt eines veganen Kochbuchs verzichtet Bretsch. Im Vorwort, das nur eine knappe Zweidrittel-Seite lang ist, erklärt sie, was Veganismus bedeutet (der Verzicht auf tierische Erzeugnisse). Alternativprodukte, so erläutert sie, werden aus Reis, Soja oder Gluten eingesetzt, um tierische Produkte zu vermeiden. Auf eine weitere Erläuterung des Veganismus verzichtet Bretsch gemäss eigenen Worten "bewusst, [..] da hier das Hauptaugenmerk auf dem Genuss und der Freude an guter Küche liegt." In den weiteren drei Abschnitten spricht Bretsch an, dass immer mehr Menschen wissen wollen, woher das, was auf ihrem Teller liegt, kommt und wie es hergestellt wurde, aber auch, welche Intention hinter den Illustrationen steckt (Auseinandersetzung mit den verwendeten Zutaten und Speisen.) Im letzten Satz wird festgehalten, dass alle Rezepte meistens für vier Personen seien, und eben warum auf Zeitangaben verzichtet wurde. Kurz und bündig ohne Dogmatik, ohne Esoterik und wissenschaftlich unhaltbaren Heilsversprechen - das Vorwort ist also durchaus angenehm. Grad für Einsteiger in die vegane Ernährung darf aber gesagt werden, dass zumindets ein Weiterverweis auf Informationsquellen nützlich gewesen wäre. Es gibt bei der veganen Ernährung hatl doch schon manches zu beachten, vor allem die Versorgung mit B12.
Informationen liefert Bretsch auch in den kurzen Texten unter den Rezepttiteln. Ich habe diese Texte noch einmal überflogen - manche erklären nur die Zutaten und ihre Illustrationen, manche erläutern Geschichtliches (Pasta) und in einigen Fällen wird auch wissenschaftliches erwähnt, zb. eben der Spargelurin. Mir ist beim groben Drüberlesen nichts Falsches aufgefallen.

Die 55 Rezepte sind in vier Kategorien gegliedert: Suppen, Salate, Hauptspeisen und Desserts. Die Hauptspeisen überwiegen klar, die Desserts sind mit 13 Rezepten aber auch relativ gut abgedeckt. Die Rezepte bestehen aus einer guten Mischung aus "Nachgebautem", so zb. der Räuchertofu-Wurst-Salat oder das Cordon-Bleu mit Erbsenpüree, aber auch aus kreativen Neu-Innovationen (Kartoffelsalat mit Koriander-Tomaten-Salsa) und internationalen Gerichten (Thai-Curry, Türkische Kohlrouladen). Theoretisch sollte für jeden Geschmack vorhanden sein.

Hummus-Indikator: Null

Umsetzbarkeit, Zutaten und Aufwand
Fangen wir bei den Zutaten an: Die Zutaten, die Bretsch verwendet, sind zum Grossteil recht unaufgeregt. Das meiste sollte in einem gut sortierten Supermarkt zu bekommen sein. In einigen Fällen wird Käseersatz und veganer Aufschnitt benötigt. Hierfür muss man vermutlich dann doch zum Bioladen oder zum Reformhaus. Im Falle von Sojaschlagsahne wird eine Alternative angegeben aus Sahnesteif und normaler Sojasahne. Sowas hätte man durchaus auch für andere Produkte machen können. Nicht überall findet man reguläre Sojasahne im normalen Supermarkt.
Bei einigen Zutaten war mir nicht ganz klar, was das überhaupt sein soll. Ich bin keine Deutsche, was "Knödelbrot" ist, musste ich mir zuerst ergooglen. Es wäre super gewesen, wenn da teilweise auch Erläuterungen zu eine lokale oder regionale Zutat mitgeliefert worden wären.
Manche Angaben sind auch etwas ungenau. Mit "2 Blätter Filoteig" kann ich nicht wirklich viel anfangen, denn Filoteige kommen zumindest in meinem türkischen Spezialitätenladen in zig Grössen und Formen.
Was ich bei den verwendeten Zutaten in eingen Fällen allerdings kritisieren muss, ist ihr Preis. Manche Gerichte kosten überdurchschnittlich viel. Das wohl krasseste Beispiel ist die Rösti mit Spargel-Morchel-Ragout. Dazu brauche ich 250g grünen und 250g weissen Spargel, der mich zumindest in meinem CH-Supermarkt in der Saison schon deutlich über 10 Franken kostet (9 Euro). Dann benötigt man auch noch 20g getrocknete Morcheln. Ein Päckchen davon kostet 13 Franken, ein 40g-Päckchen kostet 20 Franken. Diese drei Zutaten alleine kosten mich also schon 23 Franken (20 Euro). Das finde ich absurd übertrieben. Der Sherry, der da noch mit rein kommt, sowie die Schalotten, das Päckchen Sojasahne und die Cherrytomaten habe ich mal ausgeklammert, sie treiben den Preis aber nochmal hoch. Es mag sein, dass diese Zutaten in Deutschland nicht soviel kosten wie in der Schweiz. Dennoch kann ich mir nichtvorstellen, dass dieses Gericht mühelos in ein normales deutsches Budget passt. (Und rein subjektiv: Geschmeckt hat's auch nicht so gut.)

Der Aufwand der Rezepte hält sich in einem Rahmen, den ich noch als einigermassen in Ordnung betrachten würde. Es ist halt auch schwer einzuschätzen, da Zeitangaben fehlen. Grad mehrkomponentige Hauptspeisen dauern durchaus ihre Weile. Die Rezepte sind eher etwas für einen gemütlichen Sonntagabend oder einen freien Nachmittag.

Zur Umsetzbarkeit der Rezepte kann ich nur eins sagen: Gemischt bis mangelhaft. Neben dem Geschmack ist dieser Punkt ein Hauptkritikpunkt an Bretschs Buch. In den von mir getesteten Rezepten hat leider einiges nicht funktioniert. Den Teig für die Spinatravioli konnte ich nicht richtig handhaben. Die Griessklösse wurden viel zu dick und drohten, auseinanderzufallen. Die Cordon-Bleu-Masse liess sich nicht richtig zubereiten, war zu dick, und wo die Panade aussen schon angebrannt war, war die Füllung innen noch kalt und nicht geschmolzen. Ausserdem wird der Seitan hier null im Vorauszubereitet und nach fünf(!) Minuten in der Pfanne schmeckt er demgemäss noch total eklig-gummig. Ich habe die Cordon-Bleus im Ofen mehr als eine Stunde nachgebacken, bis sie gut wurden - da war der Käse dann aber schon wieder zu hart und eklig.  Alles so Kleinigkeiten, die mich mehr und mehr genervt haben.
Bei manchen Sachen habe ich mich auch ernsthaft gefragt, ob die Autorin ihre Rezepte überhaupt getestet hat, zb. beim Cordon-Bleu-Debakel, oder auch bei der Tarte Tatin au Citron, wo die gebackenen Zitronenscheiben einfach nur eklig-bitter wurden und das Dessert ruiniert haben. Da kann ich nur ganz klar sagen: Man merkt, dass die Autorin keine gelernte Köchin ist.

Nachgekochte Rezepte
Im Rahmen meiner Kochbuchchallenge 2013 habe ich sieben Rezepte nachgekocht, sieben weitere im Verlaufe der Jahre 2014 und 2015. 14 nachgekochte Rezepte mögen jetzt nicht nach viel klingen - auf die gesamten 55 Rezepte hochgerechnet ist das aber doch durchaus eine recht grosse Menge.
Problematisch war, dass die Autorin sehr oft mit sehr hochkalorischen Nahrungsmitteln arbeitet. Rezepte mit einem Pack Sojasahne oder mehreren Esslöffeln Öl pro Portion waren keine Seltenheit. Da ich generell eher einer Low-fat-Ernährung gemäss Weight Watchers folge, war ich auch etwas eingeschränkt. Zu sehr abgewandelt ist ein Rezept ja dann auch nicht mehr das Originalrezept.

Bereits beim Punkt der Umsetzbarkeit weiter oben habe ich schon einige technische Fehler bemängelt. Ich muss aber auch ganz klar noch beim Geschmack nachhaken. Das wäre dann mein zweiter grosser Kritikpunkt. Dafür, dass das Buch derart hochwertig gestaltet ist, waren die Rezepte, die ich getestet habe, eher enttäuschend. Die Geschmacksprofile waren eher auf der langweiligen Seite, so war die thailändische Tom-Kha-Suppe für meinen Gaumen viel zu süss - kein Wunder bei einem ganzen Esslöffel Zucker für die Suppe. Ich hab auch noch die Tiefe im Geschmacksprofil vermisst. Tom-Kha ist nun einmal eine Hühnerbrühe im Original, und wird auch noch mit Fischsosse verfeinert. Da muss in der veganen Variante kräftig nachgelegt werden. Koriander hat beispielsweise ganz gefehlt, und statt Champignons hätte ich jetzt schon mindestens Shii-Take verwendet.Das Erbsenpüree und die glasierten Karotten, die zum Cordon-Bleu gehörten, waren auch viel zu süss. Das extrem teure Morchel-Spargelragout war einfach nur langweilig und es war fast schade, dass die geschmacksintensiven Spargeln mit den geschmacksintensiven Morcheln um die Vorherrschaft gekämpft haben.
Manches hat aber auch wirklich einfach nicht funktioniert, zb. das oben erwähnte Cordon-Bleu, oder auch die Tarte Tatin, die unglaublich bitter war. Das Kaffegelee auf Vanilleecken fand ich vom Rezept her sehr innovativ - essen konnte ich es nicht. Geschmackloser, lahme Wabbelstücke auf anderen Wabbelstücken - selten so ein schlimmes Mundgefühl gehabt.

Lieblinsrezept: Das Koriander-Tomaten-Salsa blieb mir in Erinnerung. Als ich es dann ein zweites Mal gemacht habe, wars nicht mehr so gut.. Ich denke, ich habe aus diesem Buch kein Lieblingsrezept, dass ich mitnehme. Das ist auch einmal 'ne Premiere.

Fazit
Die Idee, als grafische Abschlussarbeit ein veganes Kochbuch zu erstellen, dafür Kochrezepte zu entwickeln, nachzukochen, zu fotografieren, und dann noch die Masse an Illustrationen zu erstellen, die im Buch vorhanden sind, sowie einzelne Hintergrundinfos zu recherchieren ist ein sehr gewagtes und nahezu gigantisches Unterfangen. Katharina Bretsch hat sich drangewagt und daraus ist "Kochen ohne Tiere" entstanden - und auch von einem Verlag angenommen worden. Für die Augen ist das Buch tatsächlich ein Genuss. Die Illustrationen sind frech, neckisch, lustig und überraschend vielschichtig. Das Buch ist mit viel Liebe gestaltet worden, bis hin zur klaren Gestaltung der Zutatenlisten und der Arbeitsschritte.
Mit dem Augengenuss hört es aber schon auf. Für den Gaumen ist das Buch nicht unbedingt ein Genuss. Die Rezepte enttäuschen in vielen Fällen geschmacklich, enthalten technische Fehler oder verwenden unnötig viel Fett und teilweise auch sehr teure Zutaten zusammengeballt in einem Rezept (welches dann noch geschmacklich enttäuscht.) Das ist umso enttäuschender, da man für das Buch knappe 30 Euro hinblättern muss. Es hätte dem Buch sehr gut getan, wenn der Fokus stärker auf die Rezepte gelegt worden wäre, wenn da noch mehr getestet, entwickelt und probegekocht worden wäre. Da hätte man einiges an Fehlern noch vermeiden können. Dieses Buch ist immer noch ein Kochbuch - und da vermag es leider nicht zu überzeugen. Es will zuviel für ein zu grosses Zielpublikum und fällt deswegen beim Hauptpublikum - den Kochfans - durch. Aus diesem Sinne kann ich für "Kochen ohne Tiere" leider auch keine Kaufempfehlung aussprechen, obwohl es mich fast etwas dauert, da die Illustrationen wiederum wirklich grossartig sind. Aber ja.. Das hier ist eine Kochbuchrezension, keine Illustrationsrezension.
Bewertung: Zwei von fünf Sternen. Aber auch nur wegen den tollen Bildern.

Cheers!
Rose

Getestete Rezepte
Griessklösschensuppe; Scharfe Mie-Nudel-Suppe; Schwarzwurzelsuppe mit Rosmarin; Kartoffelsalat mit Koriander-Tomaten-Salsa; Räuchertofu-„Wurst“-Salat; Rösti mit Spargel-Morchel-Ragout; Spinatgnocchi; Thailändische Thom-Kha; Asiatischer Reisnudelsalat; Cordon Bleu mit Erbsenpüree und glasierten Karotten; Spinatravioli mit Artischocken-Räuchertofu-Füllung; Tandoori-Spiesse mit Raita und Naan; Kaffeegelee auf Vanilleecken; Tarte Tatin au Citron

Freitag, 5. Februar 2016

Bullshitfreie Kochbuchrezension: "Junge vegane Küche" - Hochuli (Vol. 8)

Dies ist die letzte Kochbuchrezension, die ich aus meinem alten Blog übernehme und hier poste. Ich habe allerdings zurzeit noch drei Bücher, die ich rezensieren möchte, und ich bin weiter fleissig dabei, aus anderen Kochbüchern Rezepte nachzukochen. Stay tuned!
Datum des Originaleintrags: 15. Februar 2015  - Da ich das Buch im Moment verliehen habe, kann ich kein Foto beifügen. Man kann ja googlen.


Generelle Infos
Junge vegane Küche - gesund, vielfältig und einfach lecker
Autor: Philip Hochuli
Erscheinungsdatum: Dezember 2012
Preis: ca 22 Euro
Sprache: Deutsch
Verlag: Pro Business

Grafik, Design und generelles Aussehen

"Junge vegane Küche" geht den sehr schweizerischen Weg der Ringbuch-Bindung nach Art "Betty Bossi". Vielleicht war es für den jungen Autor (und soweit ich weiss auch Selfpublisher) so am günstigsten, oder vielleicht wurde die Nähe zum Betty-Bossy-Kochbuchformat für den Schweizer Markt auch bewusst gewählt - Was immer es war, es funktioniert. Für mich ist eine Ringbuchbindung die beste Methode, ein Kochbuch zu binden. Nichts klappt zu, alles bleibt an Ort und Stelle, das Buch ist in jeder möglichen Position "hälftig" auf dem Tisch hinlegbar.
Mit etwas weniger als einem Zentimeter Dicke und dem minimalen Gewicht von etwa 3-4 Schokoladentafeln eignet sich das Buch zudem doppelt und dreifach für die Küche, auch die Mobile Küche oder fürs Mitnehmen in den Urlaub oder zu Besuch oder wo auch immer. Und wer befürchtet, die Ringbuchbindung sei nicht stabil, den kann ich beruhigen - Ringbuch-Bindungen halten sehr, sehr lange, und eignen sich für Kochbücher sehr gut. Meine Mutter hat noch Betty-Bossy-Kochbücher aus den 1970er-Jahren, bei denen noch keine einzige Seite aus der Bindung herausgerissen ist. Auch "Stürze" vom Tisch oder dergleichen halten die Bücher gut aus.

Die Grafische Gestaltung präsentiert sich folgendermassen: Rezepte befinden sich immer auf der linken Seite, die rechte Seite ist für Fotos vorgesehen. Dieses Schema zieht sich (vermutlich auch wiederum der Einfachheit halber und aus Kostengründen) durch das ganze Buch. Erfreulich ist hier zu erwähnen, dass mit Ausnahme einiger weniger Basisrezepte (Salatsossen usw.) alle Rezepte bebildert sind. In den meisten Fällen findet man zwei bis drei Rezepte pro Seite, und somit auch zwei bis drei Bilder pro gegenüberliegende Fotografieseite. Die gewählte Schrift kommt ohne grossen Firlefanz und Schnörkel aus. Titel der Rezepte sind in Grossbuchstaben gehalten, daneben befinden sich kleine Logos, die auf Eigenschaften des Rezept hinweisen (zb. (G) für Glutenfrei). Direkt unter dem Rezepttitel findet man die Portionenangaben.
Etwas weiter unter dem Rezepttitel befindet sich dann die Zutatenliste, die in einem dunklen Grau gehalten ist, daneben befinden sich die Zubereitungshinweise wiederum in Schwarz und in einer leicht anderen Schrift als die Zutaten. Die Schriftgrösse schätze ich auf 11 Punkte, sie ist gerade noch angenehm von der Grösse her. Einzig der Wechsel von Grau/Schwarz und den Schriften finde ich manchmal ein wenig mühsam. Hier wurde vermutlich aus Kostengründen auf Farbe verzichtet, das wäre aber angenehmer gewesen.
Falls das Rezept zwei Komponenten enthält (zb. eine Sauce zu einem Gericht) wird dies sowohl in den Zutatenlisten als auch in den Zubereitungsschritten deutlich abgetrennt vom Restgericht (durch Fettschreibung oder den Hinweis "Sauce"). Dies erleichtert die Zuordnung von Arbeitschritten und Zutaten.
Zuunterst befindet sich mittig bei der Seite die Seitenzahl, und daneben noch der Hinweis, in welchem Kapitel des Buches man sich befindet (zb. "Hauptgänge"). Letzteres ist nötig, da keine Seiten dafür verwendet werden, die Kapitel voneinander abzusondern.

Inhalt
"Junge vegane Küche" kommt für ein deutschsprachiges Kochbuch mit erstaunlich wenigen einführenden Seiten aus. Ein kurzes Vorwort (mit prominent platziertem Ganzkörperfoto des Autors), sowie eine "Über-mich"-Seite findet sich noch vor dem Inhaltsverzeichnis.
Weitere zwei Seiten sind dann generellen Hinweisen vorbehalten, eine weitere Seite informiert über "Abkürzungen und Erläuterungen" und dann steht der Leser auch schon der ersten Rezeptseite gegenüber. Es geht also ziemlich rasch ans Eingemachte.
Die zwei Seiten Fakten gliedern sich in die Unterpunkte "Ein Plädoyer für pflanzliche Küche" sowie ein "Plädoyer für Bio", auf der zweiten Seite wird über Allergiker-Informationen informiert, Einkaufstipps gegeben und auf Dinge hinwiesen, die wichtig sind, "bevor es losgeht". Gerade bei den beiden Plädoyers fällt auf, dass Hochuli weiss, wie man zitiert: Er verwendet für die wichtigsten Behauptungen Fussnoten und gibt seine Quellen an. Ein gewisses wissenschaftliches Denken ist also vorausgesetzt. Leider liefert er gerade für die kritischste Behauptung, man könne mit veganer Kost zahlreichen "Zivilisations"-krankheiten vorbeugen, keine Quelle an. Das ist dann wiederum eher negativ. Da er vor allem auf den nachhaltigen Aspekt der veganen Ernährung eingeht, scheint der gesundheitliche Aspekt (zum Glück?) nicht seine Hauptmotivation zu sein.
Im Plädoyer für Bio erwähnt Hochuli vor allem die Vorteile der Schweizer Biozertifikation im Vergleich zum niedrigeren EU-Bio-Standard. Hier werden einige Behauptungen gemacht, bei denen sich eine nähere Reflexion unter Umständen noch lohnen würde, beispielsweise ob die Qualität von Schweizer Bioprodukten tatsächlich höher ist als die von EU-Bioprodukten. Unreflektiert bleiben zudem die Aussagen, dass Bio ohne Gentechnik und ohne Zusatzsstoffe wie Farb- und Aromastoffe usw. auskomme. Dies ist faktisch korrekt, allerdings bleibt der Leser ohne eine genauere Einordnung dieser Fakten zurück. Warum das jetzt "besser" sein sollte, vor allem im Punkt Gentech, wird nicht erwähnt. Hochuli übernimmt die weit verbreitete diffusen Ängste vor GMO und verbreitet sie weiter.

Generell lässt sich allerdings sagen, dass es in disem Buch vor allem um eines geht: Rezepte. Hochuli verliert nicht viele Worte, bis die ersten Rezepte anstehen, und wo er Worte verliert, sind sie meistens durch Quellen belegt, die man in kritischen Fällen dann auch selber überprüfen könnte. Er leistet sich nur kleine Schnitzer und stürzt sich sowieso vor allem sofort in Rezepte.
Für mich ist diese Einstellung erfrischend - für Neuveganer und Interessierte präsentiert sich das Buch diesbezüglich allerdings womöglich lückenhaft. Immerhin einige wenige konkrete Hinweise auf Aspekte der Supplementierung und Versorgung mit wichtigen Nährstoffen (vor allem der Hinweis auf die Supplementierung von B12) hätten durchaus angefügt werden können.

Nach dem dominierenden Rezeptteil findet der Leser noch vier Seiten "Tipps und Hinweise". Dies darf man vor allem als Einführung in den veganen Einkaufsschrank verstehen. Hier erläutert Hochuli beispielsweise, wie man Eier in Rezepten ersetzen oder weglassen kann, welche Margarine er verwendet und warum, welche Mehlsorten er verwendet und welchen Mehlsorten dies in Deutschland entspricht, welche Pflanzendrinks es gibt und dergleichen.
Hier fällt vor allem auf, wie kompetent und unaufgeregt der Autor mit der Palmöl-Frage umgeht (S. 105). Vermisst wurden hier allerdings noch Hinweise auf Gelatineklärung bei Essigen und Fruchtsäften. Dies ist für Neuveganer oft ein Stolperstein.

Zu den Rezepten: Das Buch enthält mehr als 100 Rezepte, die in vielen Fällen einen klaren Schweiz-Bezug haben. Gegliedert sind die Rezepte in die Kategorien "Basics", "Allerlei", "Gemüse", "Hauptgänge" und "Süsses". Unter "Allerlei" findet der Leser vor allem Salate, Vorspeisen und Snacks, während die anderen Kategorien selbsterklärend sind.
Vor allem die Kategorie Hauptgänge empfand ich als Leserin in manchen Fällen etwas willkührlich zusammengewürfelt. In vielen Fällen hätte es sich angeboten, die Kategorie nochmal von "Beilagen"-Rezepten abzugrenzen. Im Falle von reinen Gemüsegerichten wurde dies ja getan. So finden sich zum Beispiel in den Hauptgängen ein Rezept zu "Sellerieschnitzel", dass eigentlich sehr gut in die Gemüsegerichte gepasst hat. Als Leser kann man nur mutmassen, dass es deswegen in den Hauptgängen steht, weil auf derselben Seite noch ein Bild/Rezept zu "Rosmarinpolenta" abgedruckt wird. Es kann also sein, dass die beiden Dinge zusammengehören. Die getrennten Fotos sprechen allerdings wiederum dagegen. In solchen Fällen wäre es manchmal gut gewesen, wenn der Autor seine "Stimme" hätte einfliessen lassen in die Präsentation der Rezepte, und wäre es nur in einer kleinen Zeile mit dem Titel "Dazu passt..." gewesen, oder auch manchmal in kleinen Notizen oder Anekdoten. Platz genug wäre in den meisten Fällen gewesen.
Erwähnenswert ist auch noch der klare Schweiz-Bezug. Es fängt da an, wo Hochuli "Speckwürfeli" schreibt statt "Speckwürfelchen" und setzt sich fort, wenn er traditionelle Schweizer Gerichte veganisiert. Zwiebelwähe, Riz Casimir, Zürcher Geschnetzeltes oder Rösti erfreuen das Schweizer Herz ebenso wie verschiedene süsse Wähen (Obstkuchen im Rundblech), Engadiner Nusstorte und Magenbrot. Damit setzt Hochuli klare Akzente für das Schweizer Publikum, und beweist, dass er Talent hat, wenn es darum geht, lokale und regionale Klassiker zu veganisieren.
Neben der gutbürgerlich-schweizerischen Küche finden sich auch Akzente aus aller Welt im Buch, beispielsweise griechisches Moussaka, italienische Klassiker wie Lasagne und Spaghetti-Sossen, aber auch Falafel aus dem mittleren Osten, französisches Ratatouille und Quiche sowie der Kindheitsklassiker "Fischstäbchen". Ungeachtet der internationalen Akzente sind diese Rezepte immer noch ein Querschnitt aus Gerichten , die im Verlauf der letzten fünf Jahrzehnten Einzug in die schweizerische Küche gehalten haben. Das Buch ist aber nicht nur für Schweizer interessant, sondern auch für deutsche oder österreichische Leser.

Hinweise zu Soja- oder Glutenfreiheit finden sich, wie bereits erwähnt, bei jedem Rezept gut platziert. Auch die Portionenangaben sind gut positioniert und sichtbar. Vermisst habe ich allerdings grobe Zeitangaben zur Zubereitung der Rezepte. Das ist immer schade, wenn so etwas nicht berücksichtigt wird.

Hummus-Indikator: Hummus, Guacamole, Falaffel, Tsatziki und Tofu-Scramble.. The holy vegan five! 5 Punkte. :D

Umsetzbarkeit, Zutaten und Aufwand
Dafür, dass Hochuli Autodidakt ist, sind seine Rezepte erstaunlich akkurat. In manchen Fällen habe ich kleine Veränderungen oder Verbesserungen angebracht, aber meistens klappte das ganz gut, wie es im Rezept vorgegeben wurde. Dies hat mich positiv überrascht - es zeugt für mich davon, dass Hochuli wirklich lange daran gearbeitet hat, seine Rezepte zu verbessern und sie vermutlich immer und immer wieder gekocht hat.
Dafür spricht auch, dass Hochuli sogar für verschiedene Teigsorten eigene Rezepte entwickelt hat, und darauf immer wieder verweist. Im ganzen Buch kommt Hochuli ohne den Zukauf von Fertigprodukten wie Strudelteig, Kuchenteig, Mayonnaise usw. aus - fast alles wird selber gemacht. Dies ist einerseits förderlich, wenn es um die Betrachtung der Zutaten geht: Ich habe im ganzen Buch kaum Zutaten gefunden, die ich nicht in "meinen" regulären Supermärkten in der Schweiz finden würde. Für manches muss man in den Bioladen (Sojamehl, Tempeh), aber im grossen und ganzen kauft Hochuli vermutlich in denselben Läden ein wie ich - bloss in einem anderen Kanton. Sehr, sehr angenehm.
Ebenso verzichtet er komplett auf gekaufte Fleischalternativprodukte. Fleischalternativen werden selber hergestellt (zb. Meatballs auf Tofu-, oder Linsenkroketten auf Linsenbasis) oder es werden die klassischen pflanzlichen Eiweissträger Tempeh, (Räucher-)Tofu oder Seitan verwendet.
Der Aufwand liegt zwischen normal und hoch. Vor allem bei Rezepten, in denen Hochuli eigene Teige vorsieht, erhöht sich der Aufwand für die Rezepte dann doch, wenn man den Teig wirklich selber macht. Man kann aber auch ohne Probleme auf einen Fertigteig ausweichen, zb. Strudelteig, wenn man keine Lust oder keine Zeit hat, sowas selber zu machen. Dann sinkt der Aufwand auch wieder.

Allgemein gesehen sind die Rezepte nicht wirklich aufwändig, ein Grossteil lässt sich gefühlt auch unter 30 Minuten fabrizieren, vor allem die Gemüsegerichte und verschiedene Hauptgänge. Dadurch, dass die Zutaten wenig exotisch sind, spart man natürlich auch beim Einkauf viel Zeit und hat somit weniger Aufwand.

Nachgekochte Rezepte

Im Jahr 2014 habe ich etwas mehr als 20 Rezepte aus "Junge vegane Küche" nachgekocht, ohne klaren Fokus auf eine bestimmte Rezeptkategorie. Ich habe auch Süsses nachgebacken, nicht so wie bei vorherigen Kochbüchern im Jahr 2013. Die Bewertung bewegte sich in den meisten Fällen auf dem Niveau vier oder fünf Sterne, mit einigen Ausreissern nach drei Sternen. Durchgefallen ist kein Rezept, was ich wirklich beachtenswert finde.

Lieblingsrezept: Nudelauflauf, Magenbrot
(Addendum 2016: Magenbrot ist ene Art Gewürzkuchen in Schokoladenglasur, sehr typisch für Schweizerische Jahrmarktstände oder bei der Fasnacht. Magenbrot deshalb, weil die Gewürzmischung den Magen beruhigen soll. Enthält in den meisten Fällen Honig oder auch Milch und Ei, deswegen muss der CH-Veganer oft drauf verzichten.)

Fazit
"Junge vegane Küche" packt einen Koffer voll mit einen Hauch Hobbyküche, einen Hauch Autodidakt und eine grosse Menge an gut nachkochbaren, schmeckenden und soliden Rezepten sowie einer fundierte Warenkunde. Man spürt die Motivation hinter der Entstehung dieses Buchs.
Hochuli ist ein Risiko eingegangen und hat es selbst verlegt bzw. bei Books on Demand drucken lassen. Man merkt dem Buch dann aber auch an, dass Hochuli vieles mehrmals durchdacht und Rezepte einige Male nachgekocht, perfektioniert und getestet haben muss. Die Fehlerquote ist niedrig, die Rezepte gelingen und schmecken gut bis sehr gut.
Der Fokus liegt klar auf den Rezepten, der Autor will weder missionieren, noch veganisieren, noch überhaupt grossartig Worte verlieren. Beachtenswert ist vor allem der Bezug auf gutbürgerliche (Deutsch-)Schweizer Küche und alle die ausländischen Einflüsse, die in den letzten Jahrzehnten in die Schweizer Küche Einzug gehalten haben und nun zum Standartrepertoire der Deutschschweiz gehören. Hier positioniert sich Hochuli sicher einzigartig in der deutschsprachigen veganen Kochbuchwelt, ohne sich bei den Schweizern künstlich anzubiedern. (Das Wagnis hat sich für Hochuli übrigens gelohnt. Sein zweites Kochbuch "Vegan - die pure Kochlust" erschien vor einem Jahr beim namhaften AT-Verlag.)
Hochulis Kochbuch ist geeignet für Leute, die bereits grundlegende Kochkenntnisse und/oder die einen klaren Schweiz-Bezug haben. Für klare Kochanfänger ist das Buch eher bedingt geeignet, auch vermisst ein interessierter Allesesser vielleicht nähere Einführungen und Erläuterungen zum Veganismus. Für Allessesser, die dem Veganismus als Gesamtes eher skeptisch gegenüberstehen, könnten die fehlenden näheren Einführungen allerdings auch ein guter Grund sein, das Buch zu kaufen/geschenkt zu bekommen. Missioniert wird man bei "Junge vegane Küche" allerhöchstens durch das Essen selber.
Endergebnis: 4 von 5 Sternen!

Cheers!
Rose

Getestete Rezepte
Gourmet-Tofuwürfel; Kartoffelsalat; Samosa; Rote Kokos-Linsen; Zwiebelwähe; Lasagne; Meatballs; Nudelauflauf; Nudelpfanne mit Artischockenherzen und Fenchel; Tagliatelle an Marroni-Austernpilzsauce; Spinatstrudel mit „Frischkäse;“ Tortillas de patatas; Zürcher Geschnetzeltes; Rösti mit Zwiebelsauce; American Brownies; Himmlischer Schokokuchen; Kokoskuchen; Magenbrot; Schoko-Datteln; Einfache Schnitzel; Gemüse-Wraps mit Erdnussauce; Lauch-Kohl-Gemüse

Donnerstag, 4. Februar 2016

Bullshitfreie Kochbuchrezension: "Let them eat vegan" - Burton (Vol. 7)

Datum des Originaleintrags: 25. November 2014

Generelle Infos

Let Them Eat Vegan! - 200 Deliciously Satisfying Plant-Powered Recipes for the Whole Family
Autorin: Dreena Burton
Erscheinungsdatum: März 2012
Preis: ca 14,50 Euro
Sprache: Englisch
Verlag: Da Capo Press
Das Buch befindet sich seit November 2012 in meinem Besitz.


Grafik, Design und generelles Aussehen

"Let them eat vegan" ist ein eher taschenbuchartiges Kochbuch. Es ist nur wenig grösser und breiter als das A5-Format, und ca 2 cm dick, nicht besonders schwer. Es eignet sich also wie andere Taschenbücher gut zum Mitnehmen und durchblättern unterwegs, im Vergleich zu Hardcovern ist das ein Vorteil. Da das Buch allerdings relativ dick ist, gibts gerade im ersten und letzten Viertel ein wenig das Problem, dass die Seiten nicht von allein auf dem Tisch halten, und beschwert werden müssen. Ab einer gewissen Seitenzahl halten die Seiten dann "von selbst" auf dem Tisch. Das machts leider etwas mühsam beim Kochen und Durchblättern.
Grafisch wird im Buch sehr viel Wert darauf gelegt, abzugrenzen: Pro Seite findet sich konsequent nur ein Rezept, die Rezepttitel sind nicht nur mit einer Farbe, sondern auch mit einem Rahmen plus farbigem Hintergrund vom Rest des Rezepts abgehoben. Die Titel sind fett und in Weinrot gedruckt, darunter findet sich deutlich die Angabe, für wieviele Personen das Rezept ist.

Weitere Angaben wie beispielsweise Glutenfrei oder Sojafrei finden sich darunter als Schrift plus einem grossen "Free"-Aufdruck in einem dunkelroten Kreis. Neben dem Titel und diesen Angaben findet sich bei jedem Rezept eine Anmerkung der Autorin, beispielsweise zur Herkunft des Rezeptes oder Anekdotisches und so weiter. Dadurch, dass sich diese Anmerkungen innerhalb des grossen Rahmens mit dem Titel usw. befinden, sind sie deutlicher vom Rest des Rezepts abegrenzt als in jedem anderen Kochbuch, dass ich bisher gelesen habe. Das ist sympathisch, weiss man doch, was man überspringen muss (wenn man solche Anmerkungen nicht mag), oder was man bevorzugt lesen kann (wenn man sie mag.)

Die Rezepte selber werden in zwei Spalten präsentiert. In der ersten Spalte findet sich die Zutatenliste, und in der Spalte daneben in mehreren übersichtlichen Abschnitten die Rezeptanweisungen. Die Schrift wird im Gegensatz zum weiteren rezeptspezifischen Anmerkungen oder dem Titel konsequent schwarz gehalten. Unter den Arbeitsschritten befinden sich bei vielen Rezepten dann wiederum in weinroter Schrift Anmerkungen zum Rezept selber, beispielsweise "Ingredients 411": Unter diesem Titel schreibt Burton, wie man eine spezielle Zutat bekommen könnte. Weiter finden sich hier Anmerkungen zu Substitutionen von Zutaten, oder zu Zutaten, die man noch hinzufügen könnte, sowie Tipps zu gewissen Arbeitstechniken (bspw. wie man ein Risotto sehr cremig bekommt, oder was man tut, wenn das Quinoa mit der angegebenen Menge Wasser noch nicht durch ist.)

Grundsätzlich kann man sagen, dass das Buch im Rezepteteil sehr strukturiert gestaltet ist. Auch die Einführungs- und Zutatenkapitel am Anfang sind zweispaltig gegliedert und es werden zur Unterstützung der Struktur fette, kursive sowie farbige Akzente gesetzt. Einzig bei der Schriftgrösse in den Rezepten kann man einen Kritikpunkt anbringen. Die ist nämlich locker zwei Punkte kleiner als im ausführlichen Informationsteil am Anfang und am Ende des Buches. Den Rezepten hätte es gut getan, wären sie noch etwas grösser geschrieben worden. Grad in der Hitze des Gefechts in der Küche möchte ich mich nicht extrem über das Buch beugen müssen, um nochmal rasch nachlesen zu müssen.

Wie viele amerikanische Kochbücher ist auch das Kochbuch von Burton nicht unbedingt spezifisch mit Fotografien geplant worden. Es gibt im Inneren des Buches eine Art eingebundene 16-seitige "Beilage", in denen ungefähr 35-40 Rezepte fotografisch mit durchaus hoher Qualität festgehalten wurden. Für den Rest der Gerichte sind keine Fotografien verfügbar. Für mich ist das Ansehen von Fotos kein Must-have, wer aber darauf nicht verzichten möchte, der wird von diesem Kochbuch eher enttäuscht in dieser Hinsicht.

Inhalt
"Let them eat vegan" enthält mehr als 200 Rezepte. Um zu diesen zu gelangen, blättert/liest sich ein Leser allerdings erst einmal durch 30 Seiten Einleitung. Hier bewegt sich Burtons Kochbuch eher in der klassischen Herangehensweise eines veganen Kochbuchs. Auch wenn es nicht ihr erstes ist und auch wenn Veganismus in den letzten Jahren (vor allem in den USA) mehr an Popularität und Bekanntheit gewonnen hat, wie sie in den ersten Seiten schreibt, wird im Buch nicht darauf verzichtet, eine ausführliche Einleitung ins vegane Kochen zu geben. Burton macht dies allerdings eher aus dem Blickwinkel heraus, wie ihr Kochbuch aufgebaut ist, welche Produkte sie verwendet (inkl. ausführliche Warenkunde), welche Utensilien die Küche beinhalten sollte und dergleichen.
Gerade im Abschnitt über den veganen Vorratschrank bekommt man noch einmalausfürhlich alles alphabetisch präsentiert, was es an normalen und etwas exotischeren veganen Zutaten gibt. Zu vielen Zutaten gibt Burton auch noch spezielle Tipps, die unter "Kitchen Buzz" rot dargestellt werden. Dieser Part scheint für einen geübten Koch teilweise eher ein "Zuviel des Guten" zu sein. Für jemanden, der noch wenig Ahnung von in der veganen Küche oft gebrauchten veganen Zutaten hat, oder generell ein Kochneuling ist, ist diese Aufzählung allerdings Gold wert, stelle ich mir vor.

In den ersten drei Seiten, bevor sie in eine Erklärung der einzelnen Anmerkungstypen gibt, die später in den Rezepten vorkommen, erfahren wir dann aber doch noch klassischerweise etwas über die Intentionen der Autorin, ein veganes Kochbuch zu verfassen. Bei ihr scheint vor allem der Gesundheitsaspekt wichtig zu sein: Sie spricht davon, dass sie der Meinung ist, dass tierfreie Fertigprodukte, die mit der zunehmenden Popularität des Veganismus mehr und mehr aufkommen, zwar ethisch korrekter seien, aber eben auch gesundheitlich gesehen problematischer. Sie sieht Ersatzprodukte für Fleisch und Milchprodukte vor allem als wertvoll für den Einstieg und die Verwöhnung zwischen durch, betont aber, dass es für sie klar sei, dass man sich nicht ständig von solchen Dingen ernähren solle, und dass ihre Rezepte auch nicht darauf abzielten, dass man ständig solche Produkte kaufen müssen. Diese Aussagen müssen natürlich in einem amerikanischen Kontext betrachtet werden, wo der Markt für vegane Ersatzprodukte noch einmal grösser ist als hierzulande oder in Deutschland. Durch höhere Nachfrage werden Produkte über dem Teich vermutlich auch günstiger angeboten. Die Ernährung als "Pudding"-Veganer scheint in den USA noch einmal realistischer möglicher zu sein als hierzulande, weswegen dann wiederum eine solche Ansprache auch in gewisser Weise nachvollziehbar ist.
Wenn sie im folgenden Absatz davon spricht, dass diese Ersatzprodukte keine echte Nahrung seien, und dass die Ernährung zu 90-100% aus "whole foods" und "lower-fat" pflanzlichem Essen bestehen soll, habe ich aber ein wenig Mühe mit diesem erhobenen Zeigefinger. Es gibt auch Ersatzprodukte (die eigentlich besser Alternativprodukte genannt werden sollten), die beispielsweise zu einem Grossteil aus Tofu bestehen, oder aus Seitan - das ist dann meines Erachtens nach nicht mehr vergleichbar mit stark verarbeiteten Produkten.

Ebenso finde ich es interessant, dass sie Gerichte mit niedrigem Fettgehalt empfiehlt, dass dann aber sehr viele Rezepte aus meiner Perspektive damals in meiner Kochbuchchallenge nicht für die Ernährung nach Weight Watchers, die ja auch Low-Fat propagieren, geeignet waren, eben weil zuvieles mit zuviel Fett und Zucker gemacht wurde. Es ist für mich auch fraglich, wie man low-fat und whole food einhalten soll, wenn mehr als ein Drittel der Rezepte Kuchen, Kekse, Cremen, Muffins, süsse Frühstücke oder Eiscreme-Rezepte sind. Um diesem Ktierium gerecht zu werden, müsste man man den Anteil an süssen Sachen runterschrauben, nicht einfach nur Weissmehl durch Vollkorn- oder glutenfreies Mehl ersetzen. Ich persönlich nehme eher zu, wenn ich mir jeden Tag Vollwertkost-Muffins reinziehe, dafür aber auf Ersatzprodukte aus Tofu oder Seitan verzichte.

Der Rest der vierseitigen Einleitung besteht weiter aus Anekdoten, Hinweisen zum Aufbau des Buches und generellen Anmerkungen. Es muss hier angemerkt werden, dass vollständig darauf verzichtet wird, den Veganismus an sich zu erklären, gesundheitliche Aspekte der veganen oder omnivoren Ernährung an sich zu analyiseren und hervor zuheben oder die ethische Komponente detaillierter zu erklären. Das ist meines Erachtens positiv, führt aber auch dazu, dass keine Hinweise darauf gegeben werden, inwiefern man beispielsweise zu Calcium in der veganen Ernährung kommt, oder dass man auf jeden Fall B12 zuführen müsste.
Wenigstens tappt die Autorin nicht in die esoterische- oder unwissenschaftliche Bullshit-Falle, wie leider zuviele Autoren und Autorinnen von veganen Koch- und sonstigen Büchern. Einen weiteren Textteil findet man dann am Schluss des Buches. Nach dem letzten süssen Dessertrezept finden sich ca. 20 Seiten Anmerkungen darüber, wie man eine vegane Familie ernährt, und wie man vegane Lunchboxen füllt sowie wie man seine Familie oder sich selber dazu bringt, mehr Grünzeug zu essen.
Ich bin selber Single und habe keine Familie zu versorgen, ich denke aber, dass es für einige Leser sehr interessant sein kann, einen Einblick zu erhalten, wie eine vegane Mutter ihre Familie vegan ernährt ("powered", wie sie es so schön schreibt.)
Einige Tipps scheinen mir auch interessant für diejenigen Umsteiger, die ihre omnivore oder vegetarische Familie nach und nach zur dauerhaften veganen Küche führen möchten. Einige wenige Anmerkungen zum Füttern von Babies finden sich auch, allerdings verzichtet Burton (zum Glück) darauf, detaillierte Baby-Ernährungspläne zu geben oder dergleichen.

Generell finde ich die Anmerkungen in diesem Teil des Buches sehr angenehm. Sie eignen sich für viele verschiedene Leser. Grad die Tipps, wie man mehr Grünzeug in seinen Alltag anbaut, könnte für einige interessant sein, wohingegen andere vielleicht eher damit hadern, die Sandwichbox des Kindes vegan zu befüllen, und dafür Tipps brauchen könnten. Abgeschlossen werden diese Anmerkungen mit Anleitungen zur Kochzeit von Getreidesorten sowie Hülsenfrüchten, einer Konversationstabelle vom amerikanischen zum europäisch-metrischen Messsystem sowie einem sehr ausfürhlichen, hilfreichen Inhalts bzw. Stichwortsverzeichnis.

Kommen wir zum Rezepteteil. Die mehr als 200 Rezepte sind in in elf Kapitel gegliedert. Klassischerweise fängt Burton mit den Frühstückssachen an (Breakfast Bites and Smoothies), geht über zu den Salaten, zu Dips und Sossen, bis sie sich den Suppen widmet. Weitere Kapitel befassen sich mit "Sides", also Beilagen, mit Eintopf-artigen Gerichten und Tartes, ein weiteres Kapitel widment sich den Burgern. Ein weiteres deftiges Kapitel befasst sich dann mit Nudelgerichten, ehe sich Burton dann dem Süssen widmet (Kekse (Kapitel 9), Kuchen, Pies und Puddings (10), Eiscreme (11)). Das Kochbuch ist also klar ein Querschnitt durch die vegane Küche.
Die einzelnen Kapitel glänzen dann auch nicht durch eine grosse Quantität sondern eher durch Qualität. Manche Kapitel enthalten nur wenige Rezepte, so finden sich nur fünf Salat- und elf Burgerrezepte in den entsprechenden Kapiteln, wohingegen andere Kapitel deutlich mehr Platz erhalten. Wie bereits angesprochen sind das vor allem die Dessertkapitel, die drei von 11 Kapiteln umfassen (plus ein halbes beim Frühstück), aber rein von der Seitenzahl mehr als 90 Seiten einnehmen.

Wie bereits erwähnt, legt Burton sehr viel Wert auf die Angabe von Allergenen. Gluten-, weizen- und sojafreie Optionen oder auch optional modifizierbare Rezepte sind deutlich hervorgehoben. Was allerdings ein wenig fehlt, sind klare, übersichtliche Zeitangaben.

Hummus-Indikator: 0.5-Punkt wegen einem "Hummus-Salatdressing" plus eine Guacamole. Hefeschmelz-artige Rezepte finden sich in diesem Buch aber mindestens 5, dazu der amerikanisch-übliche Spinat-Käse-, sowie der Bohnen-Artischocken-Dip.

Umsetzbarkeit, Zutaten und Aufwand
Burtons Rezepte sind gut umsetzbar, wenn man sich an die angegeben Arbeitsschritte hält. Ich habe hierbei keine grossen Fehler beobachten können, ausser einen, der aber auf den fast defekten Ofen meiner Oma zurückzuführen war (Anekdote: Die weihnachtliche "Festive Chickpea Tart" brauchte aufgrund dieses dummen Ofens etwa doppelt so lang. Technik!).
Geht man allerdings von den Zutaten und vom Aufwand her, so muss ich klar sagen, dass Burtons Rezepte in diesem Buch sich eher an der oberen Grenze bewegen. Die Zutatenlisten bei den Rezepten sind eher länger als üblich. Wenn Robin Robertsons "Vegan Planet" ein Indikator für sehr wenige Zutaten ist, bewegt sich Burtons "Let them eat vegan!" eher entgegengesetzt am anderen Pol. Sie benutzt nicht unbedingt viele exotische Zutaten, allerdings benutzt sie eine ziemlich ausführliche Gewürzeküche.
Die Zutatenliste wird auch deswegen noch einmal als teilweise überladen empfunden, weil manche Sachen folgendermassen aufgeführt werden:
-1/2 cup plain unsweetened nondairy milk (almond or soy preferred; see "Plant-Powered Pantry,", page xxxiii)
oder: -1 tablespoon light-flavored olive oil (not extra virgin) or other neutral-flavored oil (optional; see "Plant-Powered Pantry," page xxxii)

Die Anmerkungen und die in jedem einzelnen Rezept vorkommenden Querverweise auf den "plant based"-Vorratschrank überladen die Zutatenlisten und sind total unnötig. Solche Anmerkungen sind bei der ersten und zweiten Aufführung einer Zutat in Ordnung, aber nicht jedes einzelne Mahl, wenn die Zutat im Buch vorkommt. Ich kann solche Sachen auch gut querlesen, aber es ist gut vorstellbar, dass die dadurch entstehende schiere Länge vieler Zutatenliste Kochneulinge oder Neulinge der veganen Küche eher abschreckt, so gut und durchdacht die Rezepte an und für sich dargestellt sind.
Bei manchen Sachen sind auch bereits Verarbeitungsschritte in die Zutatenliste hinzugefügt, z.B. "2 Cups Zucchini that has been halved or quartered lengthwise and sliced about 1/4 inch thick". Auch das lässt die Zutatenliste nicht gerade kürzer werden.

Für mich hat das dazu geführt, dass ich - gerade in Kombination mit fehlenden Gesamtzeitangaben) sehr oft mehr Zeit berechnet habe, als ich dann tatsächlich gebraucht habe. Dies ist vermutlich auch dem Eindruck geschuldet gewesen, den diese überladenen Zutatenlisten subjektiv hinterlassen. Andererseits hatte ich dann auch bei einigen Rezepten zuwenig Zeit einberechnet, weil teilweise Arbeitsschritte wie z.B. das Rüsten des Gemüses in der Zutatenliste "versteckt" werden statt als Arbeitsschritt im eigentlichen Rezept angegeben.

Von den Zutaten her scheint mir sehr vieles gut machbar. Einige Mehl-Sorten und vor allem diverse Backzutaten, die in den süsseren Kapiteln vorkommen, könnten bei Personen ohne oder nur mit schwerem Zugang zu Bioläden oder Reformhäusern etwas Probleme bereiten. Ich denke da vor allem an Hafer-, Dinkel- oder Hirsemehl, aber auch Reismehl, Xanthan, brauner Reissirup oder rohe Macadamiabutter. Man muss also schon bereit sein, auf andere Zutaten auszuweichen, sich solche Zutaten aus dem Netz zu bestellen oder halt den Umweg zu einem Bioladen auf sich zu nehmen, wenn solche Zutaten schwer beschaffbar sind.
Anders als bei den Back-, hält es sich bei den Kochrezepten mit "exotischeren" Zutaten eher in Grenzen, wie ich das bei meiner Nachkocherei gemerkt habe. Das schwierigste war noch "Tempeh", aber auch da haben sich mittlerweile einige Bezugsquellen aufgetan.

Nachgekochte Rezepte
Gerade weil ich viele Rezepte während meiner aktiven Weight-Watchers-Abnehmphase nachgekocht habe, habe ich mich vor allem auf die Rezepte gestürzt gehabt, die tatsächlich low-fat waren und eher zur herzhaften Sorte gehörten. Ich kann das Buch deswegen eher wenig aus der Perspektive der süssen Desserts wie beispielsweise Muffins oder Kuchen bewerten. Die Muffins, die ich nachgebacken habe, erhielten von mir immerhin die respektable Bewertung "gut". Dies bewegt sich in etwa im Rahmen der Rezepte, die ich getestet habe.
Die meisten Rezepte habe ich in meiner Datenbank mit 4 von 5 Sternen bewertet, es gab auch Hitrezepte, die ich jederzeit sofort wieder nachkochen würde. Generell scheint mir Burton viel vom Kochen zu verstehen! Die ellenlangen Zutatenlisten stehen also wirklich auch für Qualität und geben vielen Rezepten den letzten Schliff - das ist dann der Vorteil daran, dass eben zb. ein ausgeklügeltes Gewürzsystem verwendet wird.

Lieblingsrezept: No-Fu-Love Loaf. Prädikat: "Fantastischgenialgeil".

Fazit
Dreena Burtons "Let them eat vegan!" ist ein an vielen Stellen gut durchdachtes Buch, das aber an einigen Ecken auch etwas krankt. Einerseits sind die ausführliche Einleitung mit ihrem "vegan pantry", die breite Palette an Rezepten für jeden Bereich der Küche und die vielen Tipps zur veganen Ernährung im Alltag dazu geeignet, Neulinge an die vegane Ernährung zu bringen, und richten sich auch an dieses Zielpublikum. Überladene Zutatenlisten, eine kleine Schrift in den Rezepten sowie Produkte gerade im Backbereich, die nicht überall erhältlich sind, könnten aber gleichermassen dazu führen, dass dieses Zielpublikum abgeschreckt werden könnte.
An totale Kochneulinge würde ich das Buch nicht verschenken, auch nicht an Leute, die darauf angewiesen sind, Essen in 20 Minuten auf den Tisch zu stellen. Da die Rezepte aber sehr gut funktionieren und auch in den meisten Fällen gut bis sehr gut geschmeckt haben, verteile ich an "Let them eat vegan!" vier von fünf Sternen und somit eine Kaufempfehlung vor allem an diejenigen Veggies, die bereits mittel bis viel Erfahrung in der Küche haben.

Cheers!
Rose

Getestete Rezepte

Festive Chickpea Tart; Three-Bean-Salat; Quinoa Nicoise; DJ's Hummus Salat Dressing; Artichocke and White Bean Dip; Kids Cheesy Chickpea and White Bean Soup; French Lentil Soup with Smoked Paprika; White Bean Mashed Potatoes; No-Fu-Love Loaf; Boulangerie Potatoes with Sautéed Fennel and White Beans; Corn Chowder Quinoa Casserole; Fragrant Kidney Bean Lentil Dal; Wonder Bean Puree; Braised Tempeh in a Lemon, Thyme and Caper Sauce; Mediterranean Bean Burgers; Too-Good-to-Be-Tofu Burgers; Chia Banana Muffins; Quinoa Tabbouleh with Olives