Mittwoch, 3. Februar 2016

Bullshitfreie Kochbuchrezension: "Das Ox-Kochbuch 5" - Hiller/Herzer (Vol. 4)

Datum des Originalpostings: 29. September 2014

Generelle Informationen
Das Ox-Kochbuch 5: Kochen ohne Knochen
Autorin: Uschi Herzer, Joachim Miller
Erschienen: 2012 Preis: ca 10. Euro
Sprache: Deutsch
Verlag: Ventil Verlag
Das Buch befindet sich seit Anfang 2013 in meinem Besitz.
Grafik, Design und generelles Aussehen
Das Ox-Kochbuch ist ein Handtaschenkochbuch, so scheint es mir fast. Kaum dicker als ein Zentimeter, im handlichen A5-Format und wegen der konsequenten Verwendung von Papier sehr leicht und biegsam gehört es eher zur robusteren, einfacheren Sorte der Kochbücher. Es ist ganz sicherlich kein Hochglanzkochbuch - das würde auch dem Preis nicht entsprechen, denn erschwinglich ist das Buch auf alle Fälle. 

Verarbeitet ist das Buch solala - man muss die Seiten recht stark herunterdrücken, damit das Buch auf der richtigen Seite liegenbleibt. Die einfache Verarbeitung lädt auch dazu ein, den Buchrücken zu überdehnen. Das hat bei mir dazu geführt, dass ein Grossteil des Buchrückens sich von den gebundenen Buchseiten gelöst hat. Einige Seiten sind lose geworden und können potentiell aus dem Buch fallen.
Die Gestaltung selber ist gut aufgemacht. Die Titel der Rezepte sind fett und in Farbe gehalten, je nach Rezeptkapitel in einer anderen Farbe. Darunter folgt klein die Anmerkung, wer das Rezept verfasst hat, für wieviele es ist, und natürlich auch - gemäss der OX-Kochbuchtradition - welche Band oder welche CD man dazu hören sollte. Die Zutatenliste ist tatsächlich als Liste aufgemacht, mit Punkten vor jedem Produkt, und ist zudem in dicker Schrift verfasst, die sich wiederum von den nachfolgenden Rezeptanleitungsschritten abhebt.
Die Rezeptanleitungen sind nummeriert, und entsprechende Hinweise zum Rezept finden sich immer am Ende, hingewiesen wird durch einen Pfeil. Es ist also alles schön logisch geordnet und entsprechend symbolisiert, fast wie in einem Worddokument mit unterschiedlichen Aufzählungen, Nummerierungen und dergleichen. ;)
Die Schrift ist gut lesbar, das muss sie auch sein, denn sie ist doch recht klein. In den meisten Fällen sind die Seiten mit zwei Spalten gefüllt. Ein Rezept folgt einem anderen nach, es wird kaum Platz vergeudet. Das führt allerdings in vielen Fällen dazu, dass ein Rezept auf der nächsten Seite fortgesetzt wird. Die Rezepte sind nicht alle bebildert. Tatsächlich finden sich nur bei einem kleinen Teil der Rezepte tatäschlich Bilder, und die Bilder, die es gibt, sind eher ein wenig amateurhaft, muss ich sagen.
Womit das OX-Kochbuch punktet, sind die vielen liebevollen Illustrationen, die zb. in die Kategoriendeckblätter eingebaut sind, oder teilweise direkt das Rezept präsentieren. So wie das Titelblatt gestaltet ist, solche Darstellungen illustrieren jedes Kapiteldeckblatt - immer wieder für einen Lacher gut.

Inhalt
Das Ox-Kochbuch ist nicht das erste seiner Art. Bereits wurden in der Ox-Reihe vier weitere Kochbücher herausgegeben. Was das fünfte Buch allerdings von diesen Vorgängern unterscheidet, ist, dass nur noch vegan gekocht wird. Die anderen vier Bücher waren vegan-vegetarisch. Hiller/Herzer gehen in ihrem einseitigen Vorwort auch darauf ein. Sie schildern, dass dieses vegane Buch ihre Entwicklung der vergangenen Jahre wiederspiegle, da sie "nach vielen Jahren als Vegetarier den entscheidenden, konsequenten Schritt hin zuur veganen Ernährung getan" hätten. Dafür hätten "ethische, gesundheitliche und ökologische Gründe gleichermassen" eine Rolle gespielt (S. 3).
Kein veganes Kochbuch kommt ohne einleitende Worte zum Veganismus aus. Auch bei dieser Kochbuchrezension kann dieser Punkt abgehakt werden. Auf sechs Seiten gehen die Autoren unter anderem darauf ein, was Veganismus bedeutet, und wie sich Veganer vom Vegetarier unterscheiden. Sie gehen auch darauf ein, was Veganer denn so für Menschen seien, und betonen, dass Veganer alles essen dürften - aber eben nicht wollen.
Ich finde es charmant, dass die beiden Autoren auch auf das von Omnivoren oftmals als "missionarisch" betrachtete Gehabe eingehen, und versuchen zu erklären, warum einige Veganer diesen Drang fühlen, auf Tierleid hinzuweisen. Im darauffolgenden Abschnitt führen sie dann entsprechend auch aus, was "falsch" ist am Konsum von Tierprodukten. Der Tonfall, der durchaus sehr erklärend ist, und nicht als gehobener Zeigefinger daherkommt, gefällt mir gut, auch wenn ich nicht ganz sicher bin, ob ich dieser Art von Aufklärung in einem Kochbuch positiv gegenüber stehen soll. Auch die Ausüfhrungen zur Heterogenität der "veganen Szene" finden ihren Platz, was ich wirklich gut finde. Die weiteren vier Seiten erklären, welche Produkte man wie ersetzen kann, wie man vegane Sachen erkennt und die restlichen Aspekte veganer Warenkunde, die für einen Neu-Veggie relevant sind.
Man merkt, dass die beiden Autoren stark von einem ethisch-ökologischen Aspekt her denken und auch so argumentieren. Die gesundheitlichen Aspekte überlassen sie dann jemandem, der fachlich kompetenter ist als sie selber. Sie lassen auf weiteren drei Seiten nämlich Dr. Markus Keller zu Wort kommen. Keller ist Ernährungswissenschaftler und Leiter des Instituts für alternative und nachhaltige Ernährung (IFANE), ebenso Mitvefasser des Standardwerks "Vegetarische Ernährung" vom UTB Verlag. In der Vergangenheit ist er mir vor allem sehr positiv aufgefallen, weil er eine stark wissenschaftlich, rational-logische Betrachtung des Themas Veganismus pflegt. Er kann seine Aussagen begründen, belegen, er kann Studien korrekt interpretiern und einschätzen und er verfällt nicht diesem einseitigen "Vegan ist total gesund, es gibt keine Kritikpunkte daran!!11"-Bias, dem leider soviele naturwissenschaftlich nicht gebildete Veganer verfallen. So brauche ich dann auch nicht zu erwähnen, dass in seinen Ausführungen korrekte Fakten bezüglich B12, Vitamin D, Kalzium und anderen Mikronährstoffen, die der Veganer braucht, zu finden sind.
Ein grosser Pluspunkt ist die Erwähnung von Vitamin B-12-Analoga und der Mythos, in fermentierten Dingen wie Sauerkraut und Tempeh fänden sich genügende Mengen an Vitamin B12. Für ihn ist klar: Um eine Supplementierung kommt man nicht herum. Das gibt einen Anti-Eso, Pro-Wissenschaft Pluspunkt! So wünschte ich mir das für sämtliche Kochbücher. (Das Ox-Kochbuch steht hierbei übrigens stark im generellen Tenor, den auch das Kochen ohne Knochen-Magazin verwendet - das gehört ja auch zum selben Verlag/zur selten Redaktion. Für mich eine der besten und sachlich fundiertesten Informationsquellen zu veganer/vegetarischer Ernährung, dies gibt.)

Das Ox-Kochbuch enthält ungefähr 200 Rezepte. Sie sind aufgegliedert in die üblichen Kategorien wie Salat, Suppen, Snacks, Hauptgerichte, Aufstriche, Süsses. Eine etwas ungewöhnliche Kategorie ist wohl der Unterpunkt "Nachgebautes", in dem Dinge wie Remoulade, Frischkäse, Schmelz zum Überbacken, oder Eiersalat Platz finden. Das ist insofern sympathisch, dass man hier auf einen Blick alle Rezepte vor sich hat, die eventuelle Gelüste nach tierischen Produkten befriedigen können.
Was beim Inhalt des Ox-Kochbuch nicht unerwähnt bleiben darf, ist die spezielle Art und Weise, mit der subtil und ziemlich offensichtlich mit Non-Konformität gespielt wird. Das ist wohl einzigartig für Kochbücher. Selbst Isa Chandra Moskovitz und Terry Hope Romero (Veganomicon) schaffen es mit ihren Off-the-record-Anmerkungen und Anekdoten nicht, die Fülle und Vielfalt im Ox-Kochbuch zu toppen.
Es fängt schon damit an, dass die Rezeptkreationen teilweise sehr lustige, abenteuerliche Namen haben. Da gibt es den "Frühlinxsalat", den man auf derselben Seite wie den "Karbosalat" und den "Highway-Car-Crash-Salad" findet. Eine Suppe ist nicht nur eine Suppe, sondern eine "Rote-Linsen-Kartoffelsuppe mit Aufstrichpotenzial" - und aus der Suppe wird gleich noch ein Zweitrezept für einen superleckeren Aufstrich. Wer Lust auf Chicorée hat, macht doch einfach den "Coco Loco Chicorée" und ergänzt es mit einem "Fränkischen Nazi Goreng". Kichern wird man spätestens beim "Giggle-pot", einem Eintopf mit Kichererbsen. So geht das weiter und weiter und zaubert dem Leser meistens ein tolles Lächeln auf das Gesicht.
Einzigartig sind vermutlich auch die Punk-Einflüsse. Das Buch trägt nicht umsonst den Untertitel "Mehr als 200 vegane Punk-Rezepte". Jedes Rezept wird mit Musikvorschlägen ergänzt. Ich gestehe allerdings, ich habe die Musik dazu nie gehört, weil das nicht mein Musikgeschmack ist. Lustig ist es aber allemal. Die Hinweise und Anekdoten enden aber nicht dort. Auch in die Rezeptanleitungen sind sehr oft lustige Aspekte mit eingebaut. Statt "Nudeln ins kochende Wasser geben" steht da zum Beispiel: "4. Nudeln schon im Wasser? Prima" (S. 87). Statt "Bohnen putzen" steht dann da "Zuerst widmen wir uns den Bohnen. Entweder taut ihr die auf, wie auf der Packung beschrieben, oder ihr habt frische gekauft und habt jetzt die Arbeit damit." (S. 96).
Am allerlustigsten ist der erste Hinweis bei der Rote-Linsen-Suppe: "1. Warte noch mit der Platte, wir beginnen mit Kartoffelschälen, eine Tätigkeit so hässlich wie die Stille selbst. Deshalb kommt die Musik erst später." (S.38) Einzigartig, unique und zum Lachen - das ist das Ox-Kochbuch!
Was dem Buch leider fehlt sind Hinweise zu Allergenen (zb. Gluten und Soja) sowie auch Zeitangaben.

Hummus-Indikator: Ein Hummusrezept ist vorhanden, allerdings ist das Rezept nur 1/3-Spalte lang. Die Autoren wussten vermutlich, wie banal diese Kichererbsenpampe ist, und wie oft es verbreitet wird. Es gibt allerdings Guacamole-Bonuspunkte, ergänzt durch Reiswaffel-Veggiemett (das ist so'n deutsches Ding und war 2013 DER Trend in veganen deutschsprachigen Gruppen...)

Umsetzbarkeit, Zutaten und Aufwand
Die wohl exotischsten Zutaten im Ox-Kochbuch mögen Seitan-Fix und Sojasahne sein. Das steht stellvertretend als Beispiel dafür, wie unaufgeregt die Rezepte mit exotischen Zutaten umgehen. Das Ox-Kochbuch ist von den Zutaten her so simpel gestrickt wie das Buch an sich gestaltet ist. Die Küche des Ox-Kochbuch ist eine Küche für Alternative Menschen, für arme StudentInnen oder das alleinerziehende Elternteil mit knappem Budget.
Ein Grossteil der Rezepte dürfte machbar sein, auch wenn man mitten in der Pampa wohnt, wo es nur einen Discounter gibt. Es wird viel mit frischem Gemüse, mit Hülsenfrüchten und simplem Tofu gekocht. Wenn man kein Seitan erhält, auch kein Problem: Die Autoren präsentieren sogar eine Anleitung, um Seitan aus Seitan Fix selber zu machen und zb. in grösseren Mengen einzufrieren.
Dank dieser zum Grossteil einfachen, schlichten und gemüselastigen Zutaten sind die Rezepte auch zu einem Grossteil sehr einfach und gut umsetzbar. In allen Rezepten, die ich ausprobiert habe, habe ich kein einziges Mal irgendwo einen Fehler entdecken können, geschweige denn eine unklare Ausführung oder auch Zutaten, die irgendwo vorkommen, aber in der Auflistung nicht, oder umgekehrt. Neben den wirklich klar und deutlich geschriebenen Verarbeitungsschritten scheint das Buch auch sehr gut und sehr detailliert redigiert worden zu sein. Das ist wirklich erfrischend und angenehm.
Der Aufwand der Rezepte hält sich in Grenzen. Natürlich gibts Rezepte, die etwas Vorbereitung erfordern, wenn man beispielsweise Dinkelkörner am Vortag einweichen muss, oder Sojaschnetzel in Brühe einlegen soll. Die Autoren geben aber auch immer Altenrativen an, zb. den Schnellkochtopf für den Dinkel, oder Bohnen aus der Dose.
Fehlende Zeitangaben verhindern, dass ich nun genaueres darüber sagen könnte, wie sich die Autoren ihre Rezepte in der Umsetzung vorstellen. Aus meiner Erinnerung aber gabs eigentlich kein Rezept, dass deutlich länger als 30 Minuten gedauert hätte. Ich bin allerdings eine schnelle Schnipplerin.

Nachgekochte Rezepte
Augrund meiner Weight-Watchers-Karriere habe ich mich vor allem auf fettarme, sättigende Rezepte beim Nachkochen beschränkt. Die Kategorie Süsses fiel weitgehend weg. Von mir gut ausgetestet wurden vor allem die Kategorien Salat und Hauptspeisen. Dies geschah alles im Rahmen der Kochbuch-Challenge.
Es gibt für mich nur ein Wort, um das Ox-Kochbuch zu beschreiben: Genial! Ich habe soviele Rezepte nachgekocht, und ein Grossteil davon erhielt die Note Sehr gut. Mehrere Rezepte wurden auch Omnivoren serviert, die sie allesamt als genial bezeichnet haben. Meine Oma beispielsweise schwärmt noch heute vom "Thai-Soja-Schnetz", dass ich ihr zu Nudeln serviert habe. O-Ton: "Das schmeckt wirklich wie echtes Fleisch!".
Die Rezepte zeugen von einer hohen Kochkunst und Lebensmittelkunde der Autoren an sich. Das äusserte sich vor allem dadurch, dass ich eigentlich fast kein Rezept nachwürzen oder verändern musste. Das kommt bei mir eher selten vor - für meinen Gaumen sind Rezepte sehr oft ein wenig zu lasch oder zuwenig gut gewürzt.

Lieblingsrezept: Geschnetzeltes nach Gyros-Art, Thai-Soja-Schnetz, Rote-Linsen-Suppe mit Aufstrichpotenzial

Fazit
Das Ox-Kochbuch war für mich bereits nach einigen wenigen Rezepten ein klarer Kaufempfehlungskandidat. Diese Meinung hält sich bis heute. Wer ein Kochbuch sucht, dass vor Witz und Charme sprüht, dass korrekte und klare Informationen vermittelt, ohne auf B12-Lügen und Mythen hereinzufallen, dessen Rezepte fast immer gelingsicher sind, und dazu auch noch schmecken, wer ein Kochbuch sucht, dass ohne Superfoods und allzu teuren Produkten aus dem Veganversand oder Bioläden auskommt, der ist mit dem Ox-Kochbuch bestens bedient! Neben dem Veganomicon ist dies meine zweite klare Kaufempfehlung, wobei das Ox-Kochbuch den Vorteil hat, in deutscher Sprache als Ursprungssprache geschrieben worden zu sein. Die Veganomicon-Übersetzung ist relativ mies, und englisch muss man auch erstmal können. Zudem gibts im Ox-Kochbuch keine Ami-Produkte, die bei uns meistens nicht so gut erhältlich sind.
Wertung: 5 von 5 Sternen

Cheers!

Rose

Getestete Rezepte
Allzweck-Kartoffelsalat; Black is beautiful-Salat; Bohnensalat Mallorquin; Frühlinxsalat; Krautsalat mit Oliven; Marrokanischer Couscoussalat; Sauerkrautsalat; Fruchtiges Leckerschmeckerdressing ohne Öl; Brunis Linsensuppe; Chinakohlsüppchen; Rote-Linsen-Kartoffelsuppe mit Aufstrichpotential; Curry-Kokos-Suppe mit Tofu; yummi Wirsingsuppe; Töfte Köfte; Geschnetzeltes nach Gyros-Art; Couscous mit Paprika; Fränkisches Nazi-Goreng; Sauerkrautauflauf mit Kartoffelpüree; Tofu-Linsen-Bolognese; Körnerzeugs mit Paprikagemüse; Giggle-pot; Turbopfanne mit Mangold; Kräutergnocchi; oven baked white beans; Seitan selbst gemacht; Thai-Soja-Schnetz

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